Entscheidungsstichwort (Thema)

Die Hinzurechnung weiterer Versorgungspunkte als soziale Komponente gemäß § 37 Abs. 2 der VBL-Satzung setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung eine Pflichtversicherung bestand.

 

Normenkette

GG Art. 3; VBLSa § 37

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 26.07.2023; Aktenzeichen 6 O 79/21)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 26.07.2023, Az. 6 O 79/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Frage, ob auf den Betriebsrentenanspruch der Klägerin § 37 Abs. 2 der VBL-Satzung anwendbar ist, dessen Anwendung zu einer höheren Betriebsrente der Klägerin führen würde.

Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, den Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22.11.2002 (BAnz. Nr. 1 vom 03.01.2003, im Folgenden: VBLS) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31.12.2001 umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 01.03.2002 (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 04.11.1966 (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.

§ 37 Abs. 2 VBLS lautet nun wie folgt:

"Bei Eintritt des Versicherungsfalls wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres werden Pflichtversicherten für jeweils zwölf volle, bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres fehlende Kalendermonate so viele Versorgungspunkte hinzugerechnet, wie dies dem Verhältnis von durchschnittlichem monatlichem zusatzversorgungspflichtigem Entgelt der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt des Versicherungsfalls zum Referenzentgelt entspricht; bei Berechnung des durchschnittlichen Entgelts werden Monate ohne zusatzversorgungspflichtiges Entgelt nicht berücksichtigt. Ist in diesem Zeitraum kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt angefallen, ist für die Berechnung nach Satz 1 das Entgelt zugrunde zu legen, das sich als durchschnittliches monatliches zusatzversorgungspflichtiges Entgelt im Kalenderjahr vor dem Rentenbeginn ergeben hätte."

Die Klägerin ist am 31.05.1958 geboren. Sie war in den Zeiträumen vom 01.06.1993 bis 30.11.1993, 15.10.1994 bis 31.03.1995, 01.05.1995 bis 31.01.1996 und seit dem 01.03.1996 bis zur Abmeldung aus der Pflichtversicherung am 30.09.2003 bei der Beklagten pflichtversichert gewesen. Seit dem 01.10.2003 bestand eine beitragsfreie Versicherung.

Seit dem 01.11.2006 erhält die Klägerin von der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen vollständiger Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte hat mit Mitteilung vom 30.06.2020 (Anlage K 1) der Klägerin eine Betriebsrente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.11.2006 bewilligt; unter Berücksichtigung der zweijährigen Ausschlussfrist gemäß § 52 VBLS erfolgte eine Zahlung für die Zeit ab dem 01.05.2018. Zu Grunde gelegt wurden 17,14 während der Pflichtversicherung erworbene Versorgungspunkte. Die mitgeteilte Erstberechnung enthielt keine Versorgungspunkte für soziale Komponenten nach § 37 Abs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 b) VBLS.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,

die Beklagte habe zu Unrecht § 37 Abs. 2 VBLS nicht angewendet. Der Wortlaut spreche dafür, dass diejenigen Pflichtversicherte im Sinne der Vorschrift seien, die Leistungen aufgrund einer Pflichtversicherung im Gegensatz zu denjenigen, die Leistungen aufgrund einer freiwilligen Versicherung beziehen. Der Wortlaut der Regelung enthalte keine Verbindung zwischen dem Begriff "Eintritt des Versicherungsfalls" und dem Begriff des "Pflichtversicherten". Sinn und Zweck des § 37 Abs. 2 VBLS sei es, Menschen, die durch einen schweren Schicksalsschlag eine teilweise oder volle Erwerbsminderung erlitten haben, eine Erhöhung der Betriebsrente zu gewähren. Diesem Sinne liefe es zuwider, käme es darauf an, ob bei Pflichtversicherten der Eintritt des Versicherungsfalls vor oder nach dem Ende der Pflichtversicherung im beitragsrechtlichen Sinn eingetreten sei.

Bei Anwendung des § 37 Abs. 2 VBLS ergebe sich für die Klägerin eine Hinzurechnung von 2,79 Versorgungspunkten für 12 Kalenderjahre, insgesamt weitere 33,48 Versorgungspunkte.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.612,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.650,99 EUR seit dem 2. Juli 2020 sowie aus weiteren...

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