Leitsatz (amtlich)

1. Der Zugang einer Abschrift der Beschlussverfügung, die dem einen von zwei Verfügungsbeklagten zugegangen ist, kann nicht den Zustellungsmangel im Verhältnis zum anderen Verfügungsbeklagten heilen.

2. Ein Dokument, das zur wirksamen Zustellung beim "richtigen" Zustellungsempfänger nicht geeignet wäre, kann - erst recht - nicht zur Heilung einer unwirksamen Zustellung nach § 189 ZPO führen; das gilt jedenfalls dann, wenn die Mängel die Authentizität oder Amtlichkeit des zuzustellenden Dokuments fraglich erscheinen lassen.

3. Eine Heilung nach § 189 ZPO scheidet daher aus, wenn dem "richtigen" Zustellungsempfänger lediglich eine einfache Kopie oder ein Dokument zugeht, das eine ordnungsgemäße Beglaubigung der zugestellten Abschrift nicht erkennen lässt.

4. Zur Anwendung von § 531 Abs. 2 ZPO im Verfügungsverfahren.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 09.08.2013; Aktenzeichen 13 O 31/12 KfH I)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 9.8.2013 (Az. 13 O 31/13 KfH I) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die einstweilige Verfügung vom 27.3.2013 (Az. 13 O 31/13 KfH I) wird aufgehoben. Der auf ihren Erlass gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.

 

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin (nachstehend: Klägerin) und die Verfügungsbeklagte zu 1 (nachstehend: Beklagte zu 1) sind auf dem Gebiet der Erbenermittlung tätige Unternehmen, die Verfügungsbeklagte zu 2 (nachstehend: Beklagte zu 2) ist als Genealogin in der Niederlassung der Beklagten zu 1 in Hannover tätig.

Die Beklagte zu 2 verfasste nach öffentlicher Aufforderung (Erbenaufruf) des Nachlassgerichts Karlsruhe in einer Nachlasssache v. B. ein Schreiben der Beklagten vom 25.10.2012 an das Nachlassgericht (Anlage K 3), in dem es u.a. heißt:

"Da wir zu den größten und erfolgreichsten Erbenermittlern Deutschlands gehören, sind wir auch an der Klärung dieser Nachlasssache interessiert. Sie würden uns bei unserer risikobehafteten Arbeit sehr unterstützen, wenn Sie uns folgende Informationen geben könnten:

  • Wie hoch ist der Nachlasswert?
  • Name und Anschrift des Nachlasspflegers.

Wir garantieren mit unserem Team eine kompetente und schnelle Abwicklung. Auf unserer Homepage ... können Sie sich gerne weiter informieren.

Für eine kurze Mitteilung, auch per Fax, per E-Mail oder telefonisch wären wir Ihnen sehr dankbar.

Sollten Sie Bedarf an einer erfolgreichen Erbenermittlung auch in anderen bisher noch nicht veröffentlichten Nachlassfällen haben, so sind wir jederzeit bereit, auf unser eigenes Risiko - ohne dem Nachlass Geld zu kosten - die Ermittlungen aufzunehmen."

Mit Anwaltsschreiben vom 22.2.2013 mahnte die Klägerin die Beklagten wegen der Aussagen "Da wir zu den erfolgreichsten Erbenermittlern Deutschlands gehören" und "wir garantieren mit unserem Team ... eine schnelle Abwicklung" ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Mit Schreiben an den Klägervertreter vom 1.3.2013 zeigte der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten "die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung" beider Beklagter an. Die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung wurde jedoch nicht abgegeben.

Die Klägerin hat daraufhin eine einstweilige Verfügung vom 18.3.2013 erwirkt, mit welcher den Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde, für die Beklagten 1. mit der Behauptung "da wir zu den ... erfolgreichsten Erbenermittlern Deutschlands ... gehören" zu werben, wie im wiedergegebenen Schreiben vom 25.10.2012 (Anlage K 3).

Der weiter gehende Antrag in Bezug auf die Behauptung "wir garantieren mit unserem Team eine ... schnelle Abwicklung" wurde zurückgewiesen, die gegen die ablehnende Entscheidung gerichtete Beschwerde zum OLG Karlsruhe blieb erfolglos (Senatsbeschluss vom 18.4.2013 - 6 W 30/13).

Auf den Widerspruch der Beklagten hat das LG mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, die einstweilige Verfügung aufrechterhalten. Die Verfügung sei nicht mangels fristgerechter Vollziehung aufzuheben. Zwar hätte die Verfügung gem. § 172 ZPO nicht an die beiden Beklagten, sondern an deren Verfahrensbevollmächtigten zugestellt werden müssen. Dieser Mangel sei aber durch den tatsächlichen Zugang an den Beklagtenvertreter innerhalb der Vollziehungsfrist nach § 189 ZPO geheilt worden. Der Beklagtenvertreter habe im Verhandlungstermin auf Nachfrage eingeräumt, dass ihm die gegen die Beklagte zu 1 ergangene einstweilige Verfügung noch innerhalb der Vollziehungsfrist in gescannter Form zugegangen sei. Etwaige Zustellungsmängel seien dadurch nicht nur gegenüber der Beklagten zu 1, sondern auch gegenüber der Beklagten zu 2 geheilt worden, gegen die eine gleichlautende Verfügung ergangen sei. Mit Zugang der gegenüber der Beklagten zu 1 ergangenen einstweiligen Verfügung sei dem Beklagtenvertreter notwendig auch die gegenüber der Beklagten zu 2 ergangene einstweilige Verf...

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