Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Aufrechnung gegen einen vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Sicherheitseinbehalt
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat der Auftraggeber gegenüber der (restlichen) Werklohnforderung ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln geltend gemacht, so ist die Aufrechnung gegen den vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Sicherheitseinbehalt mit einem Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses für Mängelbeseitigung zulässig.
2. Dies gilt auch dann, wenn der Auftraggeber den als Sicherheit einbehaltenen Teil des Werklohns trotz einer Nachfristsetzung nicht auf ein Sperrkonto eingezahlt hat.
Verfahrensgang
LG LG Waldshut-Tiengen (Entscheidung vom 30.01.2006; Aktenzeichen 2 O 347/04) |
Gründe
I. Der klagende Insolvenzverwalter verlangt von der Beklagten, für die die Schuldnerin Straßenbauarbeiten ausgeführt hatte, die Auszahlung der als Sicherheitseinbehalt einbehaltenen 6.350,00 EUR. Die Beklagte habe die Einzahlung des einbehaltenen Betrags auf ein Sperrkonto verweigert, weshalb der Beklagten das Recht auf einen Einbehalt nach § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B bzw. § 17 Nr. 7 VOB/B nicht mehr zustehe. Außerdem sei auch eine Aufrechnung nach der InsO nicht zulässig, da im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung keine Gegenansprüche der Beklagten bestanden hätten. Bei Abnahme am 4.6.2003 seien ebenso wenig wie zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 16.06.2003 Mängel festgestellt worden.
Die Beklagte, die behauptet, die Werkleistung der Schuldnerin sei mangelhaft, hat mit einem Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung die Aufrechnung erklärt und sich im Übrigen auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen.
Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Mangelhaftigkeit der Werkleistung der Schuldnerin der Klage nur in Höhe eines Betrags von 1.446,17 EUR stattgegeben. In Höhe 4.903,83 EUR stehe dem Kläger der Anspruch nicht zu, da dies nach dem Gutachten der Aufwand für die Sanierung der Mängel bei der Ausführung der Arbeiten sei. Gehe man von der Anwendbarkeit des § 17 Nr. 6 oder 7 VOB/B aus, sei das Recht der Beklagten, die 6.350,00 EUR als Sicherheit weiter einzubehalten, weggefallen, da sie sich geweigert habe, den Betrag auf ein Sperrkonto einzubezahlen. Danach habe der Kläger zwar einen fälligen Anspruch auf Zahlung gehabt, diesem gegenüber habe die Beklagte aber mit dem Sanierungsvorschuss aufrechnen können. Die Nichteinzahlung auf das Sperrkonto verhindere nicht die Aufrechnung mit Gegenansprüchen. Die Aufrechnung sei auch nicht nach § 94 ff. InsO ausgeschlossen, weil der Gewährleistungsanspruch wegen der Mängel von Anfang an und nicht erst nach Insolvenzeröffnung entstanden sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit seiner Berufung rügt der Kläger, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, die Sanktion des § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B führe nicht auch zu einem Ausschluss des Rechts zur Aufrechnung mit Gegenforderungen. Zwar verbiete der Wortlaut der Vorschrift die Aufrechnung nicht, eine sachgerechte Auslegung ergebe aber ein Aufrechnungsverbot.
Der Kläger beantragt,
teilweise abändernd die Beklagte zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 4.903,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zum einen sei die Rechtsansicht des Klägers zu § 17 Nr. 6 VOB/B unzutreffend; zum anderen habe die Beklagte die Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto überhaupt nicht verweigert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung des Klägers ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
1. Die Aufrechnung ist nicht schon - wie der Kläger erstinstanzlich gemeint hat - nach § 94 ff., insbesondere § 95 Abs. 1 S. 3 oder § 96 InsO ausgeschlossen, weil der Gewährleistungsanspruch wegen der Mängel von Anfang an und nicht erst nach Insolvenzeröffnung entstanden ist.
Nach § 95 Abs. 1 S. 3 InsO ist die Aufrechnung allerdings ausgeschlossen, wenn die Werklohnforderung vor der Schadensersatzforderung fällig geworden ist. § 95 Abs. 1 S. 3 InsO ist jedoch nach seinem Sinn und Zweck nicht anzuwenden, wenn der Insolvenzverwalter Werklohn für mangelhafte Leistungen verlangt und der Besteller mit dem nach den Mängelbeseitigungskosten berechneten Vorschuss- oder Schadensersatzanspruch aufrechnet (BGHZ 164, 159). § 95 Abs. 1 S. 3 InsO bezweckt, die Aufrechnung auszuschließen, wenn ein Gläubiger eine fällige und durchsetzbare Forderung nicht bezahlt, sondern die Erfüllung hinauszögert und es infolgedessen später zum Eintritt einer Aufrechnungslage kommt. Die Norm will mithin verhindern, dass der Insolvenzgläubiger mit der Erfüllung seiner Schuld so lange zuwartet, bis er mit einer Gegenforderung aufrechnen kann. Dieser Gesetzeszwe...