Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennungserklärungen des Versicherers in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Keine Verweisung eines Stuckateurs auf den Beruf eines Lageristen
Leitsatz (amtlich)
1. Erkennt der Versicherer in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung seine Leistungspflicht an, ist diese Erklärung für den Versicherer grundsätzlich - auch mit Wirkung für die Zukunft - bindend. Das gilt nicht nur für eine erste Anerkennung, sondern in gleicher Weise auch dann, wenn der Versicherer nach Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens erneut eine Anerkennungserklärung abgibt.
2. Eine abstrakte Verweisung auf eine vergleichbare Tätigkeit kommt in einem zweiten Nachprüfungsverfahren nicht mehr in Betracht, wenn der Versicherer schon zum Zeitpunkt einer früheren Anerkennung - nach einem ersten Nachprüfungsverfahren - die Möglichkeit gehabt hätte, den Versicherten auf die selbe vergleichbare Tätigkeit zu verweisen.
3. Die Tätigkeit eines angelernten Lageristen ist mit der früher ausgeübten Tätigkeit eines Stuckateurs (Gipser) nicht ohne weiteres vergleichbar, und ist daher dem Versicherten nicht ohne weiteres zumutbar im Sinne der Bedingungen zur Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
Verfahrensgang
LG Offenburg (Urteil vom 09.09.2010; Aktenzeichen 1 O 74/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Offenburg vom 9.9.2010 - 1 O 74/07 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung des Klägers abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend.
Im Jahr 1996 schloss der Kläger bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Maßgeblich waren der Antrag vom 12.2.1996 (I, 485/487) und die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung der Beklagten 11/1995 (Anlagenheft der Beklagten II). Die Parteien vereinbarten eine Lebensversicherungssumme von 30.000 DM mit einem dynamischen Beitrag und einer dynamischen Versicherungssumme. In der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung wurden eine Beitragsbefreiung und eine Rente in einer bestimmten Höhe für den Fall der Berufsunfähigkeit vereinbart. Bei den Versicherungsleistungen der Beklagten sollten zudem Überschussanteile berücksichtigt werden, die sich im Laufe der Jahre ergaben.
Die maßgeblichen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (im Folgenden abgekürzt: BUZVB) enthalten u.a. folgende Regelungen:
§ 1:
Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?
Abs. 1:
Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person in Folge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd
a) zu mindestens 50 % außer Stande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht,
b) ...
...
§ 7:
Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab?
Abs. 1:
Nach Prüfung der uns eingereichten sowie der von uns beigezogenen Unterlagen erklären wir, ob und für welchen Zeitraum wir eine Leistungspflicht anerkennen.
Abs. 2:
...
§ 9:
Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?
Abs. 1:
Wir sind berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen. Dies gilt auch für zeitlich begrenzte Anerkenntnisse nach § 7. Dabei können wir insbesondere erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit i.S.v. § 1 Abs. 1a) oder Abs. 3 ausüben kann, wobei neu erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten zu berücksichtigen sind.
...
Abs. 4:
Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen, stellen wir unsere Berufsunfähigkeitsleistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 8 mit. Sie wird nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam, frühestens jedoch zu Beginn des darauf folgenden Monats.
Der Kläger übte bis Anfang 2003 den Beruf eines Stuckateurs mit dreijähriger Berufsausbildung aus. Im Januar 2003 erlitt er zwei Bandscheibenvorfälle, infolge derer er nicht mehr in seinem erlernten Beruf tätig sein konnte. Die Beklagte erkannte mit Schreiben vom 14.7.2003 (Anlage BB3), die Berufsunfähigkeit an und zahlte ab dem 1.2.2003 eine monatliche Rente i.H.v. 406,60 EUR.
Der Kläger absolvierte in der Folgezeit eine Umschulung zum Bürokaufmann, die er im Juli 2005 erfolgreich abschloss. Seit dem 25.7.2005 - also unmittelbar nach Beendigung der Umschulung - ist der Kläger als Mitarbeiter der S. AG in D. bei F. im Bereich Auftragsannahme/Lagerist/Töner tätig. Der Arbeitsvertrag vom 10.8.2005 war zunächst bis zum 16.9.2005 befristet. Nach me...