Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Unwirksamkeit der Regelung zur Herabsetzung des Krankentagegeldes gem. § 4 Abs. 4 MB/KT

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für eine mögliche Anpassung der Höhe des Krankentagegeldes und des Beirages beim Absinken des durchschnittlichen Nettoeinkommens unter den der Erstbemessung des Krankentagegeldes zugrunde gelegten Betrages einseitig durch den Versicherer ist von vornherein kein Raum, wenn beim Vertragsschluss kein bestimmtes Nettoeinkommen zugrunde gelegt worden ist.

2. Die einseitige Anpassung von Krankentagegeld und Beitrag im Falle des Absinken des durchschnittlichen Nettoeinkommens unter den der Erstbemessung des Krankentagegeldes zugrunde gelegten Betrages durch den Versicherer unter Berufung auf § 4 Abs. 4 MB/KT ist unwirksam, weil die Regelungen in § 4 Abs. 4 auch i.V.m. § 2 Abs. 2 MB/KT einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhalten. a. § 4 Abs. 4 MB/KT benachteiligt den Kläger entgegen dem Gebotes von Treu und Glauben unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. b. Die Regelungen zur Herabsetzung des Krankentagegeldes verstoßen im Übrigen gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, und sind auch deshalb unwirksam.

3. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt in diesem Fall nicht in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 18.11.2013; Aktenzeichen 6 O 36/13 C)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Konstanz vom 18.11.2013 im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagte mit Schreiben vom 25.7.2012 erklärte Herabsetzung des versicherten Krankentagegeldes von ursprünglich 100 EUR pro Tag ab dem 1.9.2012 auf 62 EUR pro Tag unwirksam ist.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind u.a. durch eine Krankentagegeldversicherung verbunden und streiten über die Berechtigung der Beklagten, einseitig die Höhe des Krankentagegeldes herabzusetzen. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Krankentagegeldanspruch in der zunächst vereinbarten Höhe von 100 EUR pro Tag weiter bestehe.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG Konstanz vom 18.11.2013 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass auf der zwischen den Parteien für die Krankentagegeldversicherung vereinbarten vertraglichen Grundlage der Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KT) 2009 in Verbindung mit den Tarifbedingungen der Beklagte die Höhe des Krankentagegeldes vom Nettoeinkommen abhänge, nicht vom Bedarf. Selbst wenn die Versicherungsagentin der Beklagten bei Vertragsschluss für die Höhe des Krankentagegeldes auf seinen Bedarf als selbständiger Handwerker abgestellt habe und nicht auf das Nettoeinkommen, könne der Kläger mit seiner Klage keinen Erfolg haben. Daraus könne keine Änderung der vertraglichen Grundlagen abgeleitet werden. Für einen den Klageantrag tragenden Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 5 VVG fehle es an relevantem Vortrag zum beratungsgerechten Verhalten. Die Beklagte sei vertraglich berechtigt gewesen, das Krankentagegeld von ursprünglich 100 EUR auf 62 EUR pro Tag herabzusetzen. Entgegen der Meinung des Klägers, die maßgebliche Vorschrift verstoße gegen AGB-Recht, halte diese der AGB-Kontrolle stand.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Gericht sei rechtsfehlerhaft dem gestellten Beweisantrag auf Vernehmung der Versicherungsagentin S. (vom Kläger fehlerhaft mit falschem Vornamen, aber korrekter ladungsfähiger Anschrift benannt) nicht nachgekommen. Da diese beim Kläger den Bedarf im Krankheitsfalle, den der Kläger als selbständiger Handwerker auf Vorschlag der Zeugin mit 100 EUR pro Tag angesetzt habe, und nicht sein Nettoeinkommen abgefragt habe, sei dieser Betrag unabhängig von der Entwicklung seines Nettoeinkommens nach den Grundsätzen der gewohnheitsrechtlichen Erfüllungshaftung maßgeblich. Da ein ursprüngliches Nettoeinkommen des Klägers, auf das eine Bemessung des Krankentagegeldes ursprünglich bezogen gewesen sein könnte, von der Beklagten nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich sei, fehle es an den Voraussetzungen für eine Neufestsetzung. Schließlich halte die maßgebliche Klausel einer AGB-Kontrolle nicht stand, weil der Kläger dadurch unangemessen benachteiligt werde, dass die Beklagte zur nachträglichen Erhöhung des Krankentagegeldes nach einer früher erfolgten Herabsetzung ohne erneute Gesundheitsprüfung bei einer späteren Erhöhung seines Nettoeinkommens nicht verpflichtet sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Konstanz vom 18.11.2013 abzuändern:

Es wird festgestellt, dass die...

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