Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterhaftung; Grenzen der Pflicht zum Hinweis auf steuergünstige Gestaltungsmöglichkeiten (hier: Zwei-Konten-Modell)
Leitsatz (amtlich)
1. Der Steuerberater ist nicht verpflichtet, ihm zwar bei Gelegenheit des erteilten Auftrags bekannt gewordene, zu der von ihm übernommenen Aufgabe aber in keiner unmittelbaren Beziehung stehende Vorgänge dahin zu untersuchen, ob sie Veranlassung zu Belehrungen, Ratschlägen oder Hinweisen ggü. dem Mandanten geben.
2. Ein mit der Erstellung der privaten Steuererklärungen und der Bilanzen für den Gewerbebetrieb beauftragter Steuerberater schuldet keine ungefragte Beratung zu Fragen der steuergünstigsten Gestaltung der wirtschaftlichen Angelegenheiten des Mandanten (hier: Hinweis auf das Zwei-Konten-Modell).
3. Eine vertragliche Nebenpflicht des Steuerberaters, seinen Mandanten vor Schaden zu bewahren und auf für ihn offen zutage liegende Fehlentscheidungen hinzuweisen, führt nicht zu einer Hinweispflicht auf solche Steuermodelle, die - wie das Zwei-Konten-Modell - nicht generell, sondern nur bei besonderen Fallkonstellationen und bei besonderer Vorgehensweise des Steuerpflichtigen zu Steuervorteilen führen.
4. Mit der uneingeschränkten Anerkennung des Zwei-Konten-Modells durch Finanzämter und FG war erst ab Anfang 1996 zu rechnen.
5. Auch nach 1996 brauchte ein Steuerberater nicht die Ausweitung des Zwei-Konten-Modells auf eine Situation zu erwägen, bei der Einnahmen nicht aus einem Betrieb, sondern aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden.
Normenkette
BGB §§ 242, 611, 675
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 10.04.2002; Aktenzeichen 6 O 160/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Freiburg vom 10.4.2002 - 6 O 160/01 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung lautet:
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger Nr. 1: 7/10 und die Klägerin Nr. 2: 3/10;.
2. Von den Kosten der Berufung tragen der Kläger Nr. 1: 14/15 und die Klägerin Nr. 2: 1/15;.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die zunächst gemeinsam und ab 1991 getrennt veranlagten Kläger waren miteinander verheiratet, lebten seit 1991 dauernd getrennt und wurden im Jahr 1993 geschieden. Sie nehmen den Beklagten, ihren langjährigen Steuerberater, auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Steuerberatung in Anspruch.
Die Kläger sind Eigentümer mehrerer vermieteter Immobilien. Weitere Einkünfte erzielte der Kläger Nr. 1 bis zu deren Aufgabe im Februar 1990 aus dem Betrieb einer Metzgerei. Die Kläger hatten bei einer Bank private Darlehen aufgenommen, die sich im Jahr 1989 auf 391.795 DM beliefen. Der Beklagte hat die Jahresabschlüsse für den Gewerbebetrieb und - zuletzt für das Jahr 1997 - die privaten Steuererklärungen der beiden Kläger angefertigt. Dabei hat er die von den Klägern auf die privaten Darlehen bezahlten Zinsen steuerlich nicht berücksichtigt.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, seit 1988/1989 sei es als legal angesehen worden, mit Hilfe des sog. Zwei-Konten-Modells private Verbindlichkeiten in steuerlich zu berücksichtigende Betriebsausgaben oder Werbungskosten umzuwandeln. Hierzu hätte ein gesondertes Betriebseinnahmekonto eingerichtet werden müssen. Die Betriebseinnahmen hätten zur Tilgung der privaten Verbindlichkeiten verwendet werden müssen, was dann zu einem entsprechenden Soll auf dem Betriebsausgabenkonto geführt hätte. Auf diese Möglichkeit der Steuerersparnis habe der Beklagte sie pflichtwidrig nicht hingewiesen, was bei ihnen - da sie bei entsprechendem Hinweis sofort mit der "Umschuldung" begonnen hätten - zu einem Schaden in Form zu viel bezahlter Steuern geführt habe. Die Kläger haben erstinstanzlich zuletzt einen gemeinschaftlichen Schadensersatzanspruch i.H.v. 6.179,24 DM geltend gemacht, ferner haben der Kläger Nr. 1 Zahlung weiterer 14.283,62 DM und die Klägerin Nr. 2 Zahlung weiterer 5.786,40 DM verlangt; zudem haben die Kläger die Feststellung der Einstandspflicht des Beklagten für künftige Schäden begehrt.
Mit Urt. v. 10.4.2002 hat das LG die Klage mit der Begründung abgewiesen, etwaige Schadensersatzansprüche der Kläger seien verjährt. Der Lauf der Verjährung habe mit der Bekanntgabe des ersten Steuerbescheides, in dem sich das Fehlen einer Umschuldung niedergeschlagen habe, begonnen. Für den hier vorliegenden Fall der Unterlassung einer richtigen Beratung gelte nichts anderes als bei einer ausdrücklichen Falschberatung. Gebe der Steuerberater nach Unterlassung einer gebotenen Beratung über ein Umschuldungsmodell auch in den Folgejahren keinen entsprechenden Hinweis, so liege darin keine neue, selbständige Pflichtverletzung...