Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessene Fristsetzung vor dem Rücktritt des Gebrauchtwagenkäufers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Möchte der Käufer eines Gebrauchtwagens vom Vertrag zurücktreten, weil der Fahrzeughändler das Fahrzeug nicht rechtzeitig übergeben kann, so muss er nach Fälligkeit der Leistung dem Verkäufer eine angemessene Frist setzen.

2. Die Frist muss in der Regel so bemessen sein, dass der Verkäufer Gelegenheit hat, die erforderlichen Handlungen zur Erfüllung seiner Leistungspflicht nachzuholen.

3. Wenn der Verkäufer vor einer Übergabe des Fahrzeugs die vertraglich zugesagte TÜV-Abnahme und geringfügige Reparaturen nachzuholen hat, muss die angemessene Frist jedenfalls mindestens 48 Stunden betragen; eine kürzere Frist ist nicht ausreichend.

4. Nicht eingehaltene Versprechungen des Verkäufers (Bereitstellung des Fahrzeugs zu einem bestimmten Zeitpunkt) machen die Fristsetzung in der Regel nicht entbehrlich. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn dem Käufer Unannehmlichkeiten und Unkosten entstanden sind, weil er mehrfach vergeblich zum Verkäufer gefahren ist, um das erworbene Fahrzeug abzuholen.

 

Normenkette

BGB § 323 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 04.04.2011; Aktenzeichen 3 O 238/10 D)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Konstanz vom 4.4.2011 - 3 O 238/10 D - in der Hauptsache wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.000 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 3.7.2010 zu bezahlen, und zwar Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke Mercedes E 270 CDI Elegance Automatik, Fahrgestell-Nr ...

2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte seit 3.7.2010 mit der Annahme des Fahrzeugs Marke Mercedes E 270 CDI Elegance Automatik, Fahrgestell-Nr ... in Verzug befindet.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Bezahlung eines verkauften Gebrauchtwagens, welchen der Beklagte nicht abgenommen hat.

Am 26.5.2010 bestellte der Beklagte bei der Klägerin einen gebrauchten Mercedes-Benz E 270 CDI Elegance Automatik zum Preis von 12.000 EUR. Die Fahrzeugdaten waren in der schriftlichen Bestellung (Anlage K 1) im Einzelnen aufgeführt. Es sollten die "Neuwagen-Verkaufsbedingungen" gelten, von denen dem Beklagten ein Exemplar ausgehändigt wurde (Anlage K 2).

Mit einer E-Mail vom 27.5.2010 erklärte der Beklagte, er trete vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin wies mit einer E-Mail vom selben Tag den Rücktritt zurück, und erklärte gleichzeitig, sie bestätige die Annahme des Kaufvertrages vom 26.5.2010 (Anlage K 4). Am selben Tag sandte sie eine schriftliche "Auftragsbestätigung" (Anlage K 5) an den Beklagten. Mit Schreiben vom 7.6.2010 erklärte sie, das Fahrzeug stehe vertragsgemäß zur Abholung und Bezahlung bereit. Gleichzeitig forderte sie den Beklagten auf, den Pkw innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen abzunehmen (Anlage K 6).

Mit Fax vom 21.6.2010 erklärte der Beklagte, er werde das Fahrzeug am 24.6.2010 abholen (Anlage K 7). Am Nachmittag des 24.6.2010 gegen 15:00 Uhr erschien der Beklagte im Autohaus der Klägerin. Eine Abholung war jedoch nicht möglich. Das Fahrzeug befand sich in einer (nicht zum Unternehmen der Klägerin gehörenden) Werkstatt, wo die Klägerin eine Reparatur durchführen ließ. Außerdem hatte die Klägerin bis zum 24.6.2010 noch nicht die im Kaufvertrag zugesagte TÜV-Abnahme und Abgasuntersuchung durchführen lassen. Der Beklagte wartete noch bis 19:00 Uhr am selben Tag. Auch bis zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin nicht in der Lage, dem Beklagten das Fahrzeug auszuhändigen. Weitere Einzelheiten des Ablaufes sind - auch was die Zeit vor dem 24.6.2010 betrifft - zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 25.6.2010 erklärte der Beklagte, er trete "von meinem Kaufvertrag zurück wegen nicht eingehaltenem Auslieferungstermin 24.6.2010" (Anlage K 8). Ab dem 25.6.2010 stand das Fahrzeug - nach durchgeführter Reparatur sowie TÜV-Abnahme und Abgasuntersuchung - bei der Klägerin zur Abholung bereit. Der Beklagte hat das Fahrzeug in der Folgezeit nicht abgeholt und den Kaufpreis nicht bezahlt.

Auf die Kaufpreisklage der Klägerin hat das LG den Beklagten antragsgemäß wie folgt verurteilt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.000 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 3.7.2010 zu bezahlen,

Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke Mercedes E 270 CDI Elegance Automatik, Fahrgestell-Nr.:...

2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte seit spätestens 3.7.2010 mit der Annahme des Fahrzeugs Marke Mercedes E 270 CDI Elegance Automatik, Fahrgestell-Nr ... in Verzug befindet.

3. Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin Kosten der außerg...

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