Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwegerecht: Abstellmöglichkeit des Kfz auf dem Wohngrundstück als "ordnungsmäßige Benutzung"; langjährige Duldung der Überfahrt
Leitsatz (amtlich)
1. Zur "ordnungsmäßigen Benutzung" eines Wohngrundstücks gehört zwar normalerweise die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen, also die Möglichkeit einer Anfahrt bis zur Grundstücksgrenze oder in die Nähe des Grundstücks, in der Regel jedoch nicht die Zufahrt auf das Grundstück, um Fahrzeuge dort abzustellen. Eine Zufahrt über ein Nachbargrundstück kann daher in der Regel nicht auf ein Notwegrecht gestützt werden. (Rn. 17)
2. Das Abstellen von Kraftfahrzeugen gehört auch dann nicht ohne Weiteres zur "ordnungsmäßigen Benutzung", wenn sich auf dem Grundstück (öffentlich-rechtlich zulässige) Garagen befinden. (Rn. 25)
3. Eine langjährige Duldung der Überfahrt über das Nachbargrundstück rechtfertigt kein Notwegrecht. (Rn. 26)
Normenkette
BGB §§ 242, 917 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 22.10.2010; Aktenzeichen 3 O 188/10) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 22.10.2010 - 3 O 188/10 B - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind Nachbarn. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. 1394, G.-straße 23 b in K. Die Beklagten sind Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. 1392, G.-straße 27 c. Das Grundstück des Klägers besitzt keine unmittelbare Verbindung zu einer öffentlichen Straße. Er macht ein Notwegrecht gegen die Beklagten geltend. Eine bestimmte dreieckige Fläche in einer Ecke des Beklagten-Grundstücks, das in diesem Bereich gepflastert ist, soll in Anspruch genommen werden, damit der Kläger mit Fahrzeugen auf sein Grundstück gelangen kann.
Beide Grundstücke sind mit Wohnhäusern bebaut. Das klägerische Grundstück wurde von den Rechtsvorgängern im Jahr 1972 mit einem Wohnhaus bebaut, welches im Jahr 1987 erweitert wurde. 1972 wurde gleichzeitig neben dem Wohnhaus eine Garage gebaut; 1987 wurden zwei weitere Garagen von den Rechtsvorgängern des Klägers errichtet. Die Zufahrt zu den nach Süden ausgerichteten Garagen erfolgte damals über einen Weg, der über verschiedene Privatgrundstücke führt, nämlich über die - anderen Personen gehörenden - Grundstücke Flst.-Nr. 1372, 1371, 1371/2 und 1394/1. Außerdem nutzten die Rechtsvorgänger des Klägers für diese Zufahrt eine Ecke des Grundstücks der Beklagten, das damals noch nicht mit einem Wohnhaus bebaut war, sondern lediglich mit einer Scheune und mehreren Garagen. Im Jahr 2006 bebauten auch die Beklagten ihr Grundstück mit einem Wohnhaus.
1972 - im Zusammenhang mit dem Bau der ersten Garage auf dem klägerischen Grundstück - gestatteten die Rechtsvorgänger der Beklagten den Rechtsvorgängern des Klägers die Überfahrt über das Beklagten-Grundstück mit einer schriftlichen Bestätigung vom 16.01.1972 (Anlage B 3, II, 95). Im Jahr 1996 führte die Beklagte Ziff. 1 - damals alleinige Eigentümerin des Beklagten-Grundstücks - einen Rechtstreit gegen die Rechtsvorgänger des Klägers. Diese verpflichteten sich in einem Vergleich vom 25.07.1996 (Anlage A 2), für die Inanspruchnahme eines Teils des klägerischen Grundstücks zu Geh- und Fahrzwecken eine jährliche Rente in Höhe von 750,00 DM zu zahlen. Im Übrigen wurde in dem Vergleich geregelt, dass "bei einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse" die Verpflichtung entfallen sollte.
Am 18.01.2005 erwarb zunächst der Vater des Klägers das klägerische Grundstück. Von diesem übernahm der Kläger das Grundstück am 01.05.2005. In welchem Umfang die Beklagten in der Zeit danach eine Überfahrt des Klägers über ihr Grundstück noch duldeten, ist streitig. Mit Schreiben vom 03.06.2005 wies die Beklagte Ziff. 2 darauf hin, dass sie bereits vor dem Verkauf des klägerischen Grundstücks - zunächst an den Vater des Klägers - den Voreigentümern mitgeteilt habe, dass sie ein Geh- und Fahrrecht nicht mehr dulde. Inzwischen stehen in der betreffenden Ecke des Beklagten-Grundstücks Blumenkübel, so dass dem Kläger eine Zufahrt auf sein Grundstück nicht mehr möglich ist (vgl. die Lichtbilder II, 105, 113 sowie II, 89).
Mit Urteil vom 22.10.2010 hat das Landgericht die auf Duldung eines Notweges gerichtete Klage Zug um Zug gegen Zahlung einer angemessenen Notwegerente abgewiesen. Ob die Voraussetzungen für einen Notweg gemäß § 917 Abs. 1 BGB gegeben seien, könne dahinstehen. Denn jedenfalls sei ein eventuelles Recht gemäß § 918 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Bis zum Jahr 2003 habe das klägerische Grundstück eine unmittelbare Verbindung zur G.-straße gehabt. Erst durch die Teilung des Grundstücks durch die Rechtsvorgänger und Veräußerung des zur G.-straße gelegenen Grundstücksteils an einen Dritten sei diese Verbindung aufgehoben worden. Damit liege eine willkürliche Handlung des (früheren) Eigentümers im Sinne von § 918 Abs. 1 BGB vor. Da das klägerische Grundstück erst durch diese Han...