Leitsatz (amtlich)
1. Ein anhängiger Rechtsstreit wird durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nicht gem. § 240 S. 2 ZPO unterbrochen, wenn dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot, sondern nur ein Zustimmungsvorbehalt i.S.v. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO auferlegt wird (Anschluss an BGH v. 1.6.1999 – XI ZR 201/98, MDR 1999, 1051 = NJW 1999, 2822 f.).
2. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft, deren persönlich haftender Gesellschafter weder eine natürliche Person noch eine nicht insolvente juristische Person ist, ist die Freigabe streitbefangener Massegegenstände durch den Verwalter unwirksam. Die Prozessführungsbefugnis geht durch eine solche Freigabe nicht auf den Schuldner über. Die vom Schuldner nach unwirksamer Freigabe erklärte Aufnahme des Rechtsstreits führt daher nicht zur Beendigung der Unterbrechung.
Normenkette
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2, § 80 Abs. 1, § 85 Abs. 2; ZPO § 240
Nachgehend
Tenor
Der Rechtsstreit ist infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin unterbrochen.
Tatbestand
Die als GmbH u. Co. KG ein Bauunternehmen betreibende Klägerin hat die beklagte Bundesanstalt auf Schadensersatz i.H.v. 6,2 Mio. DM sowie auf Feststellung weiterer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Sie hat dazu vorgetragen, ein Presseartikel über ein gegen die Klägerin gerichtetes Bußgeldverfahren wegen unerlaubter Beschäftigung ausländischer Leiharbeitnehmer habe bei ihr zu einem erheblichen Umsatzrückgang und allein in den Jahren 1997 bis 1999 zu einem Schaden i.H.v. 6,2 Mio. DM geführt. Dieser Presseartikel sei von einem Beamten der Klägerin unter Verletzung seiner Amtspflichten veranlasst worden. Mit Urteil vom 8.11.2001 hat das LG die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Amtspflichtverletzung habe nicht vorgelegen.
Die Klägerin hat gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Berufungsschrift ging am 14.12.2001 beim Berufungsgericht ein und wurde mit Schriftsatz vom 11.2.2002 begründet. Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist war am 11.1.2002 bei Gericht eingegangen. Die Berufungsbegründungsschrift ging innerhalb der durch Verfügung vom 11.1.2002 bis zum 14.2.2002 verlängerten Frist am 12.2.2002 bei Gericht ein und wurde der Beklagten am 21.2.2002 zugestellt.
Bereits mit Beschluss des AG-Insolvenzgerichts – R. vom 2.1.2002 war über das Vermögen der Klägerin gem. den §§ 21, 22 InsO die vorläufige Verwaltung angeordnet und zum vorläufigen Verwalter Rechtsanwalt P. bestimmt worden; die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters war mit der Anordnung verbunden worden, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam werden. – Mit Beschluss vom 13.2.2002 hat das AG R. über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt P. zum Insolvenzverwalter bestimmt. Nach nicht bestrittenem Vortrag der Beklagten befindet sich auch die Komplementär-GmbH der Klägerin in der Insolvenz. Mit Schriftsatz vom 5.4.2002 hat der Konkursverwalter unter Bezugnahme auf einen Beschluss der Gläubigerversammlung vom 2.4.2002 ggü. den Eheleuten A. als den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH der Klägerin die streitgegenständliche Forderung aus der Insolvenzmasse freigegeben. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 12.4.2002 die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt (§ 85 Abs. 2 InsO). Mit Schriftsatz vom 20.6.2002 hat der Insolvenzverwalter ggü. den Eheleuten A. erklären lassen, dass sich die Freigabeerklärung auch auf den Feststellungsantrag beziehe; zugleich hat er bestätigen lassen, dass es sich um eine „echte” Freigabe handele, die zum Erlöschen des Insolvenzbeschlages unter Wiedererlangung der Verfügungsgewalt durch die Schuldnerin führe.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Umstand, dass über ihr Vermögen zunächst die vorläufige Verwaltung und sodann das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, habe aufgrund der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters keine Auswirkung auf ihre Prozessführungsbefugnis.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung. Hilfsweise erklärt sie die Hauptsache für erledigt. Sie meint, die Berufung sei schon deshalb unzulässig, weil das Verfahren bereits zum 2.1.2002 unterbrochen worden sei, so dass die unter dem 11.1.2002 verfügte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wirkungslos gewesen und die Berufung ggü. der Beklagten nicht – und erst recht nicht rechtzeitig – begründet worden sei. Zudem fehle es der Klägerin an der erforderlichen Prozessführungsbefugnis, weil sie das unterbrochene Verfahren nicht wirksam habe aufnehmen können.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung kann zu keiner Sachentscheidung führen, weil das Berufungsverfahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin unterbrochen ist. Dass das Verfahren unterbrochen ist, war durch Zwischenu...