Entscheidungsstichwort (Thema)

Kartellrechtlich begründete Nichtigkeit eines Konzessionsvertrags nach § 46 Abs. 2 EnWG

 

Leitsatz (amtlich)

Der Altkonzessionär, der sich an einem Konzessionsverfahren für einen Vertrag gem. § 46 Abs. 2 EnWG beteiligt hat, ist von einer Konzessionsvergabeentscheidung der Gemeinde, die zugunsten eines anderen Bieters getroffen wurde, in besonderer Weise betroffen, weil er im Falle des Rechtsbestands des Konzessionsvertrages zur Übereignung der notwendigen Verteilungsanlagen an den Neukonzessionär verpflichtet ist (§ 46 Abs. 2 S. 2 EnWG). Er kann deshalb die aus § 134 BGB folgende Nichtigkeit des Konzessionsvertrags wegen Verstoßes gegen die Anforderungen aus §§ 1, 46 Abs. 1, 2 EnWG und § 20 GWB a.F. selbst dann geltend machen, wenn er von der Möglichkeit, vor Abschluss des Konzessionsvertrags eine Unterlassungsverfügung gegen die Gemeinde zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht hat (Fortführung von BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12).

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 03.05.2013; Aktenzeichen 22 O 33/12 Kart.)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Mannheim vom 3.5.2013 (Az. 22 O 33/12 Kart.) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der im Eigentum der Klägerin befindlichen Stromnetzverteilungsanlagen auf dem Gebiet der Stadt Achern sowie der Gemeinden Sasbach, Sasbachwalden, Renchen und Rheinau hat.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, von der Klägerin die Übergabe und Übereignung der im Eigentum der Klägerin befindlichen Stromnetzverteilungsanlagen auf dem Gebiet der Stadt Achern und der Gemeinden Sasbach, Sasbachwalden, Renchen sowie Rheinau zu fordern.

Zwischen der Klägerin und diesen Gemeinden bestanden Konzessionsverträge, in welchen sich die Gemeinden verpflichteten, der Klägerin ihre öffentlichen Wege für die Verlegung und den Betrieb von Stromleitungen gegen Zahlung von Konzessionsabgaben zur Verfügung zu stellen. Die Konzessionsverträge zwischen der Klägerin und den Gemeinden endeten wie folgt: Achern am 31.12.2012, Rheinau am 20.7.2012, Sasbachwalden am 30.9.2012, Sasbach am 1.11.2012 und Renchen am 10.2.2013.

Unter dem 19.11.2009 hat die Stadt Achern das Ende des Konzessionsvertrages zum 31.12.2012 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht und interessierte Unternehmen aufgefordert, ihr Interesse am Abschluss eines Anschlusskonzessionsvertrages zu bekunden. In vergleichbarer Weise sind die übrigen Kommunen vorgegangen. Beide Parteien haben jeweils ihr Interesse bekundet.

Bereits am 4.6.2009 wandte sich der von verschiedenen Gemeinden beauftragte Wirtschaftsprüfer und Steuerberater X an interessierte Energieunternehmen und teilte mit, dass die Gemeinden die sich aus dem Auslaufen der Konzessionsverträge ergebenden Möglichkeiten auch dazu nutzen möchten, eine gemeinsame und einheitliche Vorgehensweise zu verfolgen. Neben der einheitlichen Konzessionsvergabe sollte die Gründung eines Regionalwerks unter Beteiligung Dritter die Gründung kleinerer Einheiten bis hin zu einzelnen Gemeinde-/Stadtwerken erwogen werden. Mit Schreiben vom 23.7.2009 erfolgte eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung der beteiligten Gemeinden mit der Aufforderung, Vorstellungen zur Entwicklung eines Regionalwerks zu präsentieren. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Kopien der beiden Schreiben (Anl. B1 und 2) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 6.4.2010 (Anl. B 3) wurde den Interessenten mitgeteilt, verschiedene Gemeinden würden sich zu einer Gesellschaft zusammenschließen, deren Zweck u.a. der Betrieb von Strom- und Gasnetzen sowie der Vertrieb von Strom und Gas sein werde. Mit Schreiben vom 19.5.2010 wurden die interessierten Elektrizitätsunternehmen aufgefordert, zu darin aufgeführten Fragen/Kriterien Stellung zu nehmen, die sowohl die Konzession als auch insgesamt die Neustrukturierung der Energieversorgung in der Region betrafen. Wegen der Einzelheiten wird auf die der Beklagten vorgelegte Kopie dieses Schreibens (Anl. B4) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 12.7.2010 (Anl. K4) erklärte die Klägerin ihr Interesse am Abschluss eines Konzessionsvertrages für die Versorgung mit Strom. In der Folgezeit führten die Klägerin und die Gemeinden, die sich zu einem Regionalwerk Oberrhein zusammenschließen wollten (sog. RWO-Gemeinden) und die durch den Oberbürgermeister der Stadt Achern, die Kämmerer der Städte Achern, Rheinau und Iffezheim sowie den externen Berater Wirtschaftsprüfer und Steuerberater X vertreten wurden, ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge