Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung gegen ein Zwischenurteil, mit dem die gerichtsinterne Zuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan bejaht wird
Leitsatz (amtlich)
1. Stellt die Zivilkammer des LG ihre gerichtsinterne Zuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan in einem Zwischenurteil fest, so kann diese Entscheidung gem. § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Berufung angefochten werden.
2. Wenn die Kammer des LG zu Unrecht ihre Zuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan annimmt, kann dies mit der Berufung nur dann gerügt werden, wenn gleichzeitig ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters vorliegt. Ein solcher Verstoß ist anzunehmen, wenn die Anwendung und Auslegung des Geschäftsverteilungsplans unter keinem sachlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint.
3. Hängt die Zuteilung von Verfahren nach dem Geschäftsverteilungsplan vom Datum des "Eingangs" einer Klage ab, so ist damit - wenn sich aus dem Geschäftsverteilungsplan nichts Abweichendes ergibt - in der Regel der Zeitpunkt gemeint, zu dem die Klage in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt, und nicht etwa der (spätere) Zeitpunkt, zu dem die Klage bei einer bestimmten Geschäftsstelle vorliegt.
4. Stellt der Geschäftsverteilungsplan auf den "Eingang" von Verfahren ab, kann es keine Rolle spielen, ob ein Verfahren für eine gewisse Zeit ruht; das Wiederanrufen eines ruhenden Verfahrens ist kein (erneuter) "Eingang" dieses Verfahrens.
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; ZPO §§ 280, 303, 513 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 28.11.2011; Aktenzeichen 7 O 65/10 KfH) |
Tenor
1. Das Zwischen-Feststellungs-Urteil des LG Konstanz vom 28.11.2011 - 7 O 64/10 KfH - wird auf die Berufung der beiden Beklagten aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an die 8. Kammer für Handelssachen des LG Konstanz zurückverwiesen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Zahlung i.H.v. 683.648,10 EUR nebst Zinsen. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 20.12.2010 hat der Kläger eine entsprechende Klage an das "LG Konstanz - Kammer für Handelssachen -" gerichtet.
Das Verfahren ist beim LG Konstanz in der Folgezeit von der 7. Kammer für Handelssachen geführt worden. Beide Beklagten haben die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen gerügt. Zuständig sei die allgemeine Zivilkammer, da keine Handelssache im Sinne der Vorschriften des GVG vorliege. Hilfsweise haben beide Beklagte beantragt, das Verfahren an die 8. Kammer für Handelssachen des LG Konstanz abzugeben, da diese nach dem Geschäftsverteilungsplan - und nicht die 7. Kammer - zuständig sei.
Der Geschäftsverteilungsplan des LG Konstanz für das Jahr 2010 enthält für die Kammern für Handelssachen folgende Regelungen:
II. Kammern für Handelssachen:
1) 9. Kammer für Handelssachen:
...
Für die Handelssachen i.S.v. § 95 ff. GVG aus den Amtsgerichtsbezirken Villingen-Schwenningen und Donaueschingen ist ... die 9. Kammer für Handelssachen mit Sitz in Villingen-Schwenningen zuständig.
...
2) 7. und 8. Kammer für Handelssachen:
...
Die Handelssachen i.S.v. § 95 ff. GVG aus den übrigen Teilen des Landgerichtsbezirks werden in der Reihenfolge ihres Eingangs abwechselnd der 7. und 8. Kammer für Handelssachen, beginnend mit der 7. Kammer für Handelssachen, zugeteilt.
Gehen mehrere Verfahren gleichzeitig ein, richtet sich die Reihenfolge nach dem Namen der beklagten Partei, der im Alphabet vorgeht, bei mehreren Beklagten ist der im Alphabet vorgehende Beklagte maßgebend.
Der Geschäftsverteilungsplan enthält im Übrigen unter "F. Ergänzende Bestimmungen für die Zuteilung der Geschäfte" die folgende weitere Regelung:
9.) Eine Kammer behält eine ihr irrtümlich zugeschriebene Sache, wenn sie diese in Behandlung genommen hat. Die Sache ist in Behandlung genommen mit der Bestimmung des frühen ersten Termins, der Einleitung des schriftlichen Vorverfahrens oder der Entscheidung über ein Prozesskostenhilfegesuch.
...
Wegen der übrigen Regelungen zur Geschäftsverteilung wird auf den bei den Akten befindlichen Geschäftsverteilungsplan des LG Konstanz verwiesen.
Das LG Konstanz hat hinsichtlich der Zuteilung des vorliegenden Verfahrens an die 7. Kammer für Handelssachen folgende Feststellungen getroffen: Die Klage ging per Fax am 20.12.2010 um 18:44 Uhr beim LG Konstanz ein, und zwar unter der Fax-Nr. 07531/280-1211 auf einem Faxgerät, welches sich auf der Geschäftsstelle einer Zivilkammer befand. Die gemeinsame Geschäftsstelle der 7. und 8. Kammer für Handelssachen hatte kein eigenes Faxgerät. Ein Original der Klageschrift wurde am 21.12.2010 per Boten zum LG Konstanz gebracht. Sowohl das Fax als auch die Originalklage gelangten jeweils am 21.12.2010 zur gemeinsamen Geschäftsstelle der beiden Kammern für Handelssachen.
Auf der Geschäftsstelle wurde - im Hinblick auf den Fax-Eingang - im Register als Eingangsdatum zwar der 20.12.2010 notiert (vgl. den Registerauszug I, 745). Für die turnusmäßige Vert...