Leitsatz (amtlich)
1. Stellt das einheitliche Rillen-Design von Koffern in verschiedenen Serien das Charakteristische der Koffer dar und hat dieses Design in seiner konkreten Ausgestaltung auf dem Markt seit Jahrzehnten eine Alleinstellung, spricht dies für die Annahme eines schützenswerten Leistungsergebnisses.
2. Bei einer nahezu identischen Nachahmung dieses Rillen-Designs bei Koffern führt die auf dem nachgeahmten Produkt angebrachte Herkunftskennzeichnung nicht ohne weiteres zur Verneinung einer Herkunftstäuschung. Zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung müsste die Kennzeichnung dem Umstand gerecht werden, dass das Rillen-Design auf Koffern auch aus größerer Entfernung wahrgenommen werden kann.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 03.12.2010; Aktenzeichen 23 O 43/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Mannheim vom 3.12.2010 - 23 O 43/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Widerklage der Beklagten als unzulässig abgewiesen wird.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckung der Unterlassung (Ziff. 1) kann gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 250.000 EUR, der Auskunft (Ziff. 2) i.H.v. 20.000 EUR und im Übrigen i.H.v. 110 Prozent des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe (bezüglich Ziff. 1 und Ziff. 2) bzw. i.H.v. 110 Prozent des jeweils beizutreibenden Betrages leistet. Das Urteil des LG vom 3.12.2010 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht marken- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Auskunft sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen des Vertriebs eines Koffers durch die Beklagte geltend.
Die Klägerin produziert und vertreibt Koffer. Zu ihrem Sortiment gehören seit über 60 Jahren Aluminiumkoffer und seit ca. 35 Jahre auch Koffer aus Kunststoffschalen, deren Oberfläche ein bestimmtes Rillen-Design aufweisen. Das Rillen-Design ist dadurch gekennzeichnet, dass die Koffer außen vorstehende, eine Reflexion erzeugende Rippen aufweisen, die einen gleichbleibenden Abstand zueinander haben und sich über die gesamte Fläche der beiden Breitseiten (Vorder- und Rückseite) erstrecken und auch in die Teilbereiche der Stirnwandungen übergehen. Auf die Abbildungen der verschiedenen Modelle und Größen in den mit Anlagen 1 und 23 vorgelegten Verkaufskatalogen wird verwiesen. Verwiesen wird darüber hinaus auf das in Anl. 13 vorgelegte Muster eines Koffers der Klägerin. Die Koffer der Klägerin werden in Deutschland in nahezu jedem Fachgeschäft angeboten und von der Klägerin seit langer Zeit auf einschlägigen Fachmessen und in Fachzeitschriften sowie Prospekten beworben. Eine deutsche Fluggesellschaft hat - jedenfalls in der Vergangenheit - eine spezielle Serie des Koffers der Klägerin beworben und verkauft (Anl. 7). Im Rillen-Design ist auch das Gebäude der Hauptverwaltung der Klägerin gestaltet (Anl. 3).
Die Klägerin ist darüber hinaus Inhaberin der fünf nachfolgend aufgeführten dreidimensionalen Marken mit den Nr. (...). Die Marken bieten Schutz u.a. für Reise- und Handkoffer. Hinsichtlich der Einzelheiten der Eintragungen wird auf die Anl. 8 - 12 und hinsichtlich der Beschreibung auf die Anlagen (K 16a) verwiesen. Die Beklagte hat gegen alle fünf Klagemarken Löschungsantrag gestellt (rop 5a-e), die Klägerin hat den Löschungsanträgen widersprochen (Anlagenkonvolut K 29).
Die Beklagte ist ein in Italien ansässiger Hersteller von Koffern aus verschiedenen Materialien. Ein von ihr hergestellter Koffer ist im Oktober 2009 in einem Geschäft in Konstanz verkauft worden (nachstehend Abbildung des angegriffenen Koffers):
((Abbildung entfernt))
Die Abbildung zeigt den in Konstanz zum Verkauf angebotenen Koffer, der aus Kunststoff gefertigt ist und eine textil oder gewebeartig anmutende Oberfläche sowie die dort gezeigten Rillen aufweist. Zwei Muster der Koffer der Beklagten liegen darüber hinaus in den Anlagen K 13 und rop 3 vor.
Die Klägerin sieht in dem Angebot und dem Vertrieb des abgebildeten Koffers einen Wettbewerbsverstoß. Sie meint, das Erscheinungsbild ihrer Koffer werde durch das Rillen-Design charakterisiert, das wettbewerbliche Eigenart begründe. Dies werde auch durch den Inhalt des Privatgutachtens in Anl. 2 belegt. Die Rillen seien rein ästhetischer Art und nicht technisch notwendig. Seit 1984 habe sich der Umsatz in Deutschland von 6,3 Mio. DM bis 2008 auf 56,8 Mio. EUR und die Werbeaufwendungen von 237.000 DM auf 4.1 Mio. EUR gesteigert. Im Einzelnen wird auf die Klageschrift und hinsichtlich der Aufschlüsselung der vertriebenen Stückzahlen nach den einzelnen Modellen auf den Schriftsatz v. 26.7.2010, AS I 106 verwiesen. Die Übernahme der Rillenstruktur begründe die Annahme einer wettbewerbswidrigen vermeidbaren Herkunftstäuschung i. S des § 4 Nr. 9a UWG. Darüber hinaus hänge sich die Beklagte an den guten Ruf de...