Entscheidungsstichwort (Thema)

VBL-modifiziertes Erstattungsmodell I

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Gegenwertregelung im satzungsergänzenden Beschluss des Verwaltungsrats der VBL vom 21.11.2012 benachteiligt die ausgeschiedenen Beteiligten unangemessen.

2. Das Konzept der Angebotsumstellungsflexibilität ist kein geeignetes Korrektiv für das Bedarfsmarktkonzept, wenn (unangemessene) Regelungen hinsichtlich der Kündigungsfolgen des marktbeherrschenden Anbieters nach Aufhebung von Marktzutrittschranken wegen der damit verbundenen langfristigen Bindung dazu führen können, dass eine tatsächliche Nachfrage bei neuen Anbietern aktuell nicht besteht.

3. Die VBL hat eine marktbeherrschende Stellung auf dem derzeit noch relevanten Markt der betrieblichen Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung für im öffentlichen Dienst Beschäftigte.

4. Mit der Gegenwertregelung im satzungsergänzenden Beschluss des Verwaltungsrats der VBL vom 21.11.2012 hat die VBL ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht.

5. § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB n.F. finden auf Altfälle keine Anwendung. Für Altfälle richtet sich die Verzinsung nach § 849 BGB i.V.m. § 246 BGB.

6. Für die Frage, ob ein Altfall vorliegt, ist entscheidend darauf abzustellen, wann der die Verzinsungspflicht auslösende Schaden eingetreten ist.

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 11.10.2011; Aktenzeichen 2 O 235/09 Kart.)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Mannheim vom 11.10.2011 - Az. 2 O 235/09 Kart.- wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des LG Mannheim vom 11.10.2011 - Az. 2 O 235/09 Kart.- unter Zurückweisung der weiter gehenden Anschlussberufung - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.720.671,72 EUR nebst Zinsen i.H.v.

  • 4,1 % aus 1.897.770,31 EUR vom 22.2.2005 bis zum 31.12.2005
  • 4 % aus 1.897.770,31 EUR vom 1.1.2006 bis zum 31.12.2007
  • 4,1 % aus 1.897.770,31 EUR vom 1.1.2008 bis zum 31.12.2008
  • 4 % aus 1.897.770,31 EUR vom 1.1.2009 bis zum 10.12.2009
  • 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.380 EUR vom 8.9.2005 bis 14.9.2005,
  • 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 51.117,86 EUR vom 15.9.2005 bis 6.2.2007,
  • 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 172.100,52 EUR vom 7.2.2007 bis 10.12.2009
  • 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.069.870,83 EUR vom 11.12.2009 bis 18.10.2013,
  • 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz aus 1.720.671,72 EUR seit 19.10.2013 abzgl. bereits geleisteter Zinsbeträge
  • i.H.v. 4,4200 % aus EUR 348.008,71 vom 22.2.2005 bis 31.12.2005,
  • i.H.v. 3,3400 % aus EUR 348.008,71 vom 1.1.2006 bis 31.12.2006,
  • i.H.v. 3,9200 % aus EUR 348.008,71 vom 1.1.2007 bis 31.12.2007,
  • i.H.v. 3,9200 % aus EUR 1.190,40 vom 7.2.2007 bis 31.12.2007,
  • i.H.v. 4,1900 % aus EUR 349.199,11 vom 1.1.2008 bis 31.12.2008,
  • i.H.v. 4,8600 % aus EUR 349.199,11 vom 1.1.2009 bis 31.12.2009,
  • i.H.v. 4,6600 % aus EUR 349.199,11 vom 1.1.2010 bis 31.12.2010,
  • i.H.v. 4,4400 % aus EUR 349.199,11 vom 1.1.2011 bis 31.12.2011,
  • i.H.v. 4,3900 % aus EUR 349.199,11 vom 1.1.2012 bis 31.12.2012.

zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus Anlass des Ausscheidens der Klägerin bei der Beklagten (Gegenwertforderung).

Die Beklagte (fortan: VBL), eine Anstalt öffentlichen Rechts, schließt mit Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes (sog. Beteiligten) Beteiligungsvereinbarungen in Form von Gruppenversicherungsverträgen ab. Auf dieser Grundlage gewährt sie den Arbeitnehmern der Beteiligten nach Maßgabe ihrer Satzung (VBLS) eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung. Die Finanzierung der Beklagten erfolgt im Abrechnungsverband West, dem die Klägerin angehörte, seit 1967 über ein Umlageverfahren in Form eines modifizierten Abschnittsdeckungsverfahrens. Der Umlagesatz ist so bemessen, dass die für die Dauer des Deckungsabschnitts zu entrichtende Umlage zusammen mit den übrigen zu erwartenden Einnahmen und dem verfügbaren Vermögen ausreicht, die Aufgaben der Klägerin während des Deckungsabschnitts sowie der sechs folgenden Monate zu erfüllen, soweit sie nicht aus dem Vermögen nach § 66 VBLS (Versorgungskonto II) zu erfüllen sind (§ 60 Abs. 1 Satz 1, § 61 Abs. 1 VBLS 2001 und § 61 VBLS neu). Die Regelung des § 23 Abs. 2 VBLS verpflichtet ausscheidende Beteiligte, einen Gegenwert zur Deckung der aus dem Anstaltsvermögen nach dem Ausscheiden des Beteiligten zu erfüllenden Verpflichtungen gegenüber den versicherten Arbeitnehmern zu zahlen.

Die Klägerin ist eine Klinik. Sie ...

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