Leitsatz (amtlich)

1. Ein Beschluss des Aufsichtsrats dahin, das Dienstverhältnis des Vorstands solle fristlos gekündigt werden, wenn er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht entkräften könne, beinhaltet keine endgültige Entscheidung über die fristlose Kündigung mit der Folge, dass eine ohne weitere Beschlussfassung vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats ausgesprochene Kündigung wegen des Verstoßes gegen gesetzliche Kompentenzzuweisung aus §§ 84 Abs. 3, 107 Abs. 3 AktG unwirksam ist.

2. Ein bloß innerer Willen der Aufsichtsratsmitglieder, der im potokollierten Beschluss nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kam, ist für die Auslegung eines Aufsichtsratsbeschlusses nicht maßgegebend, denn es muss gewährleistet sein, dass das Zustandekommen und der Inhalt eines Beschlusses, der Voraussetzung für daran anknüpfende weitere Rechtshandlungen und Rechtsfolgen ist, zweifelsfrei festgestellt werden kann.

3. Eine unter Verstoß gegen die gesetzliche Kompentenzzuweisung aus §§ 84 Abs. 3, 107 Abs. 3 AktG ausgesprochen fristlose Kündigung kann durch einen Aufsichtsratsbeschluss nicht mit Rückwirkung genehmigt werden.

4. Verzögert der Aufsichtsratsvorsitzende, nachdem er von den Kündigungsgründen Kenntnis erlangt hat, die Einberufung des Aufsichtsrats unangemessen lang, muss sich der Aufsichtsrat so behandeln lassen, als habe er nach Ablauf einer angemessenen Frist zur Einberufung einer Sitzung Kenntnis erlangt mit der Folge, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 10.02.2003; Aktenzeichen 5 O 201/02)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 10.2.2003 - 5 O 201/02 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des landgerichtlichen Urteils in Ziff. 1. wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 11.6.2002, noch durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 14.6.2002, noch durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 15.6.2002 noch durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 5.2.2002 beendet worden ist und dass das Dienstverhältnis jedenfalls bis zur Kündigung durch den Kläger vom 11.2.2003 zu unveränderten Vertragsbedingungen fortbestanden hat.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Nachdem die Leitung der Geschäfte durch den Kläger, den Vorstandvorsitzenden der beklagten AG, vom Vorsitzenden des Aufsichtrats in mehrfacher Hinsicht beanstandet wurde, berief dieser für den 4.6.2002 eine Sitzung des Aufsichtsrats ein, in der die behauptet Verfehlungen des Klägers behandelt wurden. In dieser Sizung wurde beschlossen, der Kläger solle zu den Vorwürfen Stellung nehmen, ihm solle eine Auflösung des Dienstverhältnis zum 30.6.2002 angeboten werden und für den Fall, dass der Kläger weder der Auflösung zustimme noch die Vorwürfe entkräften könne, solle das Dienstverhältnis fristlos gekündigt werden. Mit Schreiben vom 7.6.2002 forderte der Aufsichtsratsvorsitzende den Kläger unter Fristsetzung auf den 11.6.2002 zur Stellungnahme auf. Dem Wunsch des Klägers, die Frist zu verlängern, wurde nicht entsprochen. Eine Stellungnahme des Klägers ging innerhalb der Frist nicht ein. Mit Schreiben vom 11.6., 14.6. und 15.6.2002 sprach der Aufsichtsratsvorsitzende die Kündigung des Dienstverhältnisses aus. In der Folgezeit kam es zu einem Schriftverkehr über die vom Kläger bestrittene Wirksamkeit der Kündigungen. Im Januar 2003 beschloss der Aufsichtsrat, das Dienstverhältnis des Klägers fristlos zu kündigen und genehmigte gleichzeitig die vom Aufsichtsratsvorsitzenden bereits ausgesprochenen Kündigungen rückwirkend. Gestützt auf diesen Beschluss sprach der Vorsitzende des Aufsichtsratstsratsbeschluss mit Schreiben vom 5.2.2003 erneut die fristlose Kündigung aus. Dem Begehren des Klägers, festzustellen, dass sein Dienstverhältnis durch die Kündigungen nicht beendet wurde, hat das LG stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Klagabweisungsbegehren unter Wiederholung ihrer Argumente weiter verfolgt, hat keinen Erfolg. Rechtsfehler der angegriffenen Entscheidung, auf die hinsichtlich des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der getroffenen Feststellungen verwiesen wird, werden nicht aufgezeigt, dass die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen eine andere Entscheidung rechtfertigen würden, wird nicht dargelegt (§ 513 ZPO). Beides ist nicht erkennbar.

Der nach der Verkündung der angefochtenen Entscheidung von der Beklagten mit Schreiben vom 25.2.2...

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