Entscheidungsstichwort (Thema)
Reichweite der "kleinen Benzinklausel"
Leitsatz (amtlich)
Der Deckungsausschluss der "Benzinklausel" in der Privathaftpflichtversicherung setzt voraus, dass das Fahrzeug im Zusammenhang mit der schadensstiftenden Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt wird, also sich dabei ein spezifisches Risiko des Kfz-Gebrauchs verwirklicht oder die Gefahr vom Fahrzeug selbst ausgeht.
Daran fehlt es, wenn beim Gebrauch eines Heizlüfters zum Enteisen der Scheiben des Pkw das Fahrzeug in Brand gerät, weil sich das Risiko realisiert, dass dem Gebrauch des Heizlüfters und nicht demjenigen des Fahrzeugs anhaftet.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 25.01.2005; Aktenzeichen 4 O 364/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG vom 25.1.2005 abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen aus dem Schadensfall vom 19.1.2004 entstandenen Verpflichtungen ggü. seinem Arbeitgeber, der M.H. GmbH, freizustellen.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Versicherungsschutz in der - bei der Beklagten bestehenden - privaten Haftpflichtversicherung wegen Schadensersatzansprüchen seines Arbeitgebers.
Am Morgen des 19.1.2004 war das Fahrzeug seines Arbeitgebers, das dem Kläger zur Benutzung überlassen war, durch einen Heizlüfter in Brand geraten. Diesen hatte der Kläger zuvor in das Fahrzeuginnere gestellt, um die vereisten Front- und Seitenscheiben abzutauen und sich danach entfernt.
Die Beklagte hat ihre Einstandspflicht unter Berufung auf verschiedene vertragliche Haftungsausschlüsse, insb. auf die "Benzinklausel" der Nr. III.1. der besonderen Bedingungen zur Privathaftpflicht, abgelehnt.
Das LG ist dieser Auffassung beigetreten und hat die Klage abgewiesen. Der Kläger sei Fahrzeugführer im Sinne dieser Ausschlussklausel, da das Enteisen der Scheiben der unmittelbaren Vorbereitung der Fahrt gedient habe und deshalb mit dem Fahrzeuggebrauch in einem inneren Zusammenhang stehe, so dass die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und nicht die Beklagte eintrittspflichtig sei.
Für die Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der Entscheidung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Anwendung der "Benzinklausel". Die Annahme des LG, der Kläger sei Führer des Fahrzeugs gewesen, obwohl er sich während des "Abtauens" in seiner Wohnung aufgehalten habe, entbehre jeder Grundlage. Diese Auslegung sei vom Wortsinn des Begriffes "Fahrzeugführer" nicht mehr gedeckt, so dass der Schaden nicht von § 10 AKB erfasst und in der Privathaftpflicht zu regulieren sei.
Er beantragt daher: Unter Abänderung des am 25.1.2005 verkündeten Urteil des LG, 4 O 364/04, wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen aus dem Schadensfall vom 19.1.2004 entstandenen Verpflichtungen ggü. seinem Arbeitgeber, der M.H. GmbH, freizustellen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und stellt den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.
Für die Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 22.2.2005 (II 13) und vom 7.3.2005 (II 35) Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet, so dass das landgerichtliche Urteil abzuändern und dem zulässigen (BGH v. 28.9.1999 - VI ZR 195/98, MDR 1999, 1439 = NJW 1999, 3774) Feststellungsbegehren des Klägers stattzugeben ist.
Für den streitgegenständlichen Schadensfall besteht Versicherungsschutz in der - bei der Beklagten unterhaltenen - Privathaftpflichtversicherung.
Weder greifen die bereits durch die landgerichtliche Entscheidung verneinten Haftungsausschlüsse ein noch ist eine Deckung nach Nr. III.1. der - für den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag - geltenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung privater Risiken (BBR Privat, Anlage zum SS der Beklagten vom 29.3.2005; II 94 ff.) ausgeschlossen.
I. Zunächst zu Recht geht das LG davon aus, dass eine Eintrittspflicht der Beklagten nicht gem. § 4 Abs. 1 Nr. 6a AHB ausscheidet.
Der Kläger nutzte das Fahrzeug nicht im Rahmen eines der in § 4 Abs. 1 Nr. 6a AHB genannten Besitzmittlungsverhältnisse, insb. ist eine Leihe (§ 598 BGB) nicht anzunehmen.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dem Kläger die Fahrt mit dem Fahrzeug gestattet war, um Arbeitskollegen auf dem Weg zur Baustelle abzuholen und zur Arbeit zu bringen oder selbst zur Arbeit zu gelangen. Eine private Nutzung war ihm nicht erlaubt (Protokoll über die Anhörung des Klägers vom 25.1.2005, I 85 f.)...