Leitsatz (amtlich)
Grenzt ein Gebäude an den öffentlichen Straßenraum an, befindet sich die Hauseingangstür jedoch nicht an dieser Seite des Gebäudes, sondern an einer anderen, zum Grundstück eines Nachbarn hin weisenden Seite, steht dem Eigentümer ein Notwegrecht über dessen Grundstück nur zu, wenn die Verlegung der Tür technisch unmöglich oder aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist. Die Grenze der Zumutbarkeit ist dabei nicht durch einen Vergleich zwischen der Beeinträchtigung des Nachbarn und den Kosten für den erforderlichen Umbau zu bestimmen, maßgeblich ist vielmehr das Verhältnis dieser Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstücks.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 01.07.2008; Aktenzeichen 4 O 588/07) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 1.7.2008 - 4 O 588/07 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Verpflichtung zur Einräumung eines Notwegerechts.
Die Klägerin ist seit 1992 Eigentümerin des Grundstücks H.-Straße 39 in U. Die Beklagten sind je zur Hälfte Miteigentümer des benachbarten Grundstücks H.-Straße 37.
Das Grundstück der Klägerin ist lang und schmal geschnitten. Mit einer der Schmalseiten grenzt es an den Gehweg der H.-Straße an. Das auf dem Grundstück errichtete Wohnhaus grenzt mit seiner Vorderseite direkt an den Gehweg. Die dem Grundstück der Beklagten zugewandte, nach Südwesten weisende Seitenwand des Wohnhauses reicht so dicht an die Grundstücksgrenze heran, dass nur ein Streifen von maximal 20 cm nicht überbaut ist. Die einzige Eingangstür zum Wohnhaus der Klägerin befindet sich an der dem Grundstück der Beklagten zugewandten Seite des Wohnhauses. Auf dem Grundstück der Beklagten befindet sich auf dieser Höhe ein gepflasterter Hof. Im weiteren Verlauf des Grundstücks der Klägerin schließen sich an das Wohnhaus zunächst eine Terrasse bzw. ein Garten an, dann steht dort ein Schuppen, dahinter befindet sich ein weiteres Stück Garten. Der Zugang sowohl zum Wohnhaus als auch zum Garten der Klägerin erfolgte in der Vergangenheit über das Grundstück der Beklagten.
Nachdem es zwischen der Klägerin und den Beklagten zu Meinungsverschiedenheiten kam, untersagten die Beklagten der Klägerin das Betreten des Hofes. Am 1. Adventswochenende des Jahres 2007 errichteten die Beklagten entlang der Grundstücksgrenze zur Klägerin einen Bretterverschlag, der einen Zugang der Klägerin zu ihrem Garten und Schuppen ausschloss. In einem von der Klägerin eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren einigten sich die Parteien vergleichsweise dahin, dass die Beklagten sich bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache verpflichteten, der Klägerin und ihrem Lebensgefährten Zugang zur Haus- und zur Gartentür zu gestatten.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug in erster Linie die Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung einer Grunddienstbarkeit zugunsten der Klägerin beantragt. Sie hat ferner geltend gemacht, die Eingangstür zu dem auf ihrem Grundstück befindlichen Wohnhaus habe sich von Anfang an an der Südwestseite befunden, weswegen sie nach § 917 BGB ein Notwegerecht beanspruchen könne, und hilfsweise beantragt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin den Zugang und die Zufahrt mit dem Personenkraftwagen von der H.-Straße über einen 2 Meter breiten und 30 Meter langen, in die Grundstückstiefe gemessenen (gemessen im rechten Winkel von der H.-Straße, der östlichen Grenze des Grundstücks H.-Straße 37 entlang der Grundstücksgrenze der Häuser Nr. 37 und 39) Hofstreifen des Grundstücks H.-Straße 37 von der östlichen Grenze des Grundstücks der Beklagten, sowie ein entsprechendes Wege- und Überfahrtsrecht zu gewähren, Zug um Zug gegen Zahlung einer Notwegerente i.H.v. 120 EUR jährlich.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Sie haben vorgetragen, die baulichen Gegebenheiten sprächen dafür, dass der Wohnungseingang früher zur Straßenseite gegangen sei. Dass auch der hintere Teil des Grundstücks der Klägerin (Garten und Schuppen) nur über das Grundstück der Beklagten zugänglich sei, habe sich erst 1992 dadurch ergeben, dass eine bis dahin an der dem Garten zugewandten Rückseite des Wohnhauses der Klägerin befindliche Tür beseitigt worden sei. Auf § 917 BGB könne sich die Beklagte auch bezüglich des Zugangs zum Wohnhaus nicht berufen, da es ihr ohne weiteres möglich sei, von ihrem Hausanwesen aus einen Zugang zur öffentlichen Straße zu schaffen.
Das LG hat die Klage nach Vernehmung eines Zeugen abgewiesen. Auf mögliche altrechtliche Dienstbarkeiten könne sich die Klägerin nicht berufen, weil die Beklagten das Grundstück nach Ablauf des Jahres 1977 lastenfrei erworben hätten. Ein Notwegerecht der Klägerin bis zur Hauseingangstür sei zu verneinen. Nachdem das Wohnhaus nach vorne unmittelbar an die öffentliche Straße angrenze, verfüge das Grundstück über eine Verbindu...