Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzende Vertragsauslegung eines notariellen Kaufvertrages bei einem schuldrechtliches Wegerecht
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn Grundstücksnachbarn ein schuldrechtliches Wegerecht vereinbaren, durch das die Zufahrt zum Grundstück des Begünstigten gesichert werden soll, so beschränken sich die rechtlichen Wirkungen auf die beiden Vertragspartner. Wird das Grundstück des Verpflichteten an einen Dritten verkauft, der die örtlichen Verhältnisse und die Bedeutung der Zufahrt für den Nachbarn kennt, kann jedoch unter Umständen eine ergänzende Vertragsauslegung des Kaufvertrages in Betracht kommen, aus der sich ein Eintritt des Käufers in die schuldrechtlichen Verpflichtungen des Verkäufers gegenüber dem Nachbarn ergibt.
2. Enthält die Vereinbarung über das Wegerecht keine Regelung zur Frage der Kündigung, ist durch Auslegung zu ermitteln, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung möglich ist. Soll die Vereinbarung dem begünstigten Nachbarn Vorteile verschaffen, die einer Grunddienstbarkeit nahekommen, kann eine Kündigung durch den Verpflichteten unter Umständen erst bei einer wesentlichen Veränderung der örtlichen Verhältnisse erfolgen.
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 30.12.2014; Aktenzeichen D 4 O 203/13) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Konstanz vom 30.12.2014 - D 4 O 203/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des LG ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger sind Eigentümer des Anwesens F. Weg 12 (Flurstück Nr. 1880/1 und 1881/2) in S.. Die Beklagten sind Eigentümer des Nachbargrundstücks L. Steig 11 (Flurstück Nr. 1881). Beide Grundstücke sind jeweils mit einem Wohnhaus bebaut. Die Parteien streiten darüber, ob den Klägern ein Wegerecht über das Grundstück der Beklagten zusteht.
Am 07.12.1999 schlossen Frau M. W., Rechtsvorgängerin der Kläger, und Herr T. M., Rechtsvorgänger der Beklagten, eine Vereinbarung, an welcher noch zwei weitere Grundstückseigentümer, Herr C. M. und Frau M. M., beteiligt waren. In dieser Vereinbarung wurde in Ziffer 1 ein Wegerecht zu Gunsten der Rechtsvorgängerin der Kläger wie folgt geregelt:
Herr C. M., Frau M. M. und Herr T. M. räumen Frau M. W. für das in deren Alleineigentum stehende Grundstück, Flurstück Nr. 1881/2..., über das im Miteigentum von Frau M. M. und Herrn T. M. stehende Grundstück, Flurstück Nr. 1881,..., ein Notwegerecht ein.
Dieses "Notwegerecht" wurde in Ziffer 2 des Vertrages wie folgt konkretisiert:
Das Notwegerecht darf von Frau W. auf dem bereits bestehenden Weg ausgeübt werden,..., und zwar auf Flurstück Nr. 1881 entlang der nördlichen und nordwestlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück Flurstück Nr. 38 und Flurstück Nr. 1882 hin ebenfalls in einer Breite von 2,50 m. Fahrzeuge, die breiter als 2,00 m oder schwerer als 7,5 t sind, dürfen den Notweg nicht befahren.
In Ziffer 5 des Vertrages verpflichtete sich Frau M. W., für das von dem Rechtsvorgänger der Beklagten eingeräumte Wegerecht eine "Notwegrente" in Höhe von monatlich 75,00 DM zu zahlen. Die Verpflichtungen der Vertragspartner für den Fall einer Veräußerung eines der Grundstücke wurden in Ziffer 6 der Vereinbarung wie folgt festgehalten:
Frau M. W. verpflichtet sich, bei einer Veräußerung des Grundstücks, Flurstück Nr. 1881/2, den/die Rechtsnachfolger vertraglich zu verpflichten, mit Herrn C. M. und den Eheleuten M. und T. M. eine gleichlautende Vereinbarung über das Notwegrecht abzuschließen. Herr C. M. und die Eheleute M. und T. M. verpflichten sich, mit dem jeweiligen Rechtsnachfolger von M. W. eine gleichlautende Vereinbarung über das Notwegrecht abzuschließen. Herr C. M. und die Eheleute M. und T. M. verpflichten sich, bei einer Veräußerung des Grundstücks, Flurstück Nr. 42 bzw. Flurstück Nr. 1881, den/die Rechtsnachfolger vertraglich zu verpflichten, mit Frau M. W. bzw. mit deren Rechtsnachfolgern eine gleichlautende Vereinbarung über das Notwegrecht abzuschließen.
Mit notariellem Vertrag vom 16.12.1999 (Anlage K 2) veräußerte Frau M. W. das Anwesen F. Weg 12 (Flurstück Nr. 1880/1 und 1881/2) an die Kläger. In § 6 des Vertrages ist u.a. festgehalten:
Das Notwegerecht der Personen M., T. und C. M. ist den Käufern bekannt.
Mit notariellem Vertrag vom 25.06.2010 (Anlage B 6) verkaufte Herr T. M. - inzwischen Alleineigentümer des Nachbargrundstücks - das Anwesen L. Steig 11 (Flurstück Nr. 1881) an die Beklagten. In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten wegen des über das Grundstück der Beklagten verlaufenden Weges, der von den Klägern regelmäßig als Zugang und Zufahrt zu ihrem Grundstück genutzt wurde. Die Beklagten vertraten die Auffassung, sie seien berechtigt, den Klägern die Zufahrt über ihr Grundstück zu verwehren. In einem Verfahren der einstweiligen Verfügung (AG Überlingen - 2 C 223/13 -) schlossen die Parteien am 10.1...