Leitsatz (amtlich)
Der Versicherungsnehmer ist durch die Schadensminderungspflicht gemäß E. 1.4 AKB 2008 nicht gehalten, sich auf ein Restwertangebot einzulassen, wenn sich der Anbieter in erheblicher Entfernung vom Wohnort befindet und nicht feststeht, dass sich diese Firma bereit findet, das Fahrzeug auf ihre Kosten abzuholen. Ferner obliegt es ihm nicht, bei der Verwertung höhere Risiken einzugehen, als dies seinem gewöhnliche Geschäftsgebaren entspricht.
Normenkette
VVG § 28; AKB 2008 E. 1.4; AKB 2008 E. 3.2
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Urteil vom 21.04.2009; Aktenzeichen 1 O 86/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Baden-Baden vom 21.4.2009 - 1 O 86/09 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.200,01 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.9.2008 zu bezahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von dem gegen sie gerichteten Anspruch der klägerischen Prozessbevollmächtigten auf Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in der vorliegenden Sache i.H.v. 302,10 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2008 freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die durch die Anrufung des unzuständigen LG Karlsruhe entstandenen Kosten. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 58 %, die Beklagte 42 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht wegen eines Unfalls vom 29.5.2008 Ansprüche aus einer Fahrzeugversicherung geltend.
Die Klägerin schloss als Eigentümerin des Kfz Fiat Ducato, a.K. bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung für dieses Fahrzeug unter der Nummer ... ab. Versicherungsbeginn war der 10.12.2007, das Ausfertigungsdatum des Versicherungsscheins ist der 6.3.2008. Am 9.4.2008 erlitt das Fahrzeug einen ersten Unfall, bei dem ein Streifschaden an der kompletten linken Fahrzeugseite entstand. Diesen Schaden meldete die Klägerin mit einer Neuschaden-Fax-Meldung vom 17.4.2008. Am 2.5.2008 erstellte der Sachverständige Bi einen Schadenbericht, in dem er die Reparaturkosten mit netto 6.723,07 EUR angab. Die Beklagte bezahlte nach Abzug des vereinbarten Selbstbehaltes i.H.v. 500 EUR an den Beklagten 6.223,07 EUR.
Am 8.5.2008 erlitt das Fahrzeug einen zweiten Unfall. Dabei fand erneut an der linken Fahrzeugseite ein Anstoß statt. Am 16.5.2008 erstellte der von der Klägerin beauftragte Sachverständige E ein Haftpflichtschadengutachten. Dort wurden die Reparaturkosten mit netto 8.842,16 EUR, der Wiederbeschaffungswert mit brutto 11.500 EUR und der Restwert mit brutto 1.900 EUR angegeben.
Am 29.5.2008 erlitt das Fahrzeug einen dritten, den streitgegenständlichen Unfall, bei dem ein Anstoß gegen die vordere, rechte Fahrzeugecke stattfand. Am 6.6.2008 meldete die Klägerin den zweiten Unfall. Am selben Tag übersendete die Beklagte der Klägerin zum zweiten Unfall ein Restwertangebot über 7.050 EUR der Firma Autohandel R unter Angabe einer Telefonnummer.. Unter dem 18.6.2008 meldete die Klägerin den dritten Unfall. Am 10.8.2008 verkaufte die Klägerin ihr Fahrzeug für 1.000 EUR. Am 11.8.2008 erstellte der Sachverständige L im Auftrag der Beklagten ein Gutachten, in dem er drei Vorschäden feststellte. Dabei handelte es sich um die Schäden aus dem ersten und zweiten Unfall sowie einen Schaden am rechten Schweller, der eingedrückt war. Für den streitgegenständlichen, dritten Unfall führte er Reparaturkosten i.H.v. netto 9.413,77 EUR, einen Wiederbeschaffungswert von netto 5.294,12 EUR und einen Restwert von 4.200 EUR auf. Im Gutachten ist ein Restwertangebot der Firma R in Bochum enthalten. Auf dieser Grundlage zahlte die Beklagte an die Klägerin nach Verrechnung des vertraglichen Selbstbehalts i.H.v. 500 EUR einen Betrag von 594,11 EUR aus.
Die Klägerin hat unter Berufung auf das Gutachten von Herrn E behauptet, der Wiederbeschaffungswert läge bei netto 9.663,87 EUR. Bei seiner Berechnung habe dieser die Vorschäden ausgegrenzt. Der anzurechnende Restwert betrage lediglich 1.000 EUR. Die linke Seite des Fahrzeugs sei von ihr repariert worden. Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung weiterer 7.569,76 EUR sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten jeweils nebst Zinsen zu verurteilen. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, die Klägerin habe die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht bezahlt. Das LG hat die Klage durch Urteil vom 21.4.2009 abgewiesen, da die Klägerin weder schlüssig dargelegt noch unter Beweis gestellt habe, dass das Fahrzeug den von ihr behaupteten Wiederbeschaffungs- und Restwert aufweise. Das Empfangsbekenntnis, mit dem das Urteil der Klägerin zugestellt wurde, trägt einen Eingangsstempel vom 24.4.2009.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 7.5.2009 eingegangene Berufung, die mit Schriftsatz begründet wurde, der am 24.6.2009 beim LG eingegangen is...