Leitsatz (amtlich)
1. Das Textformerfordernis nach § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG hat einerseits eine Schutz- und Warnfunktion für den Mandanten. Andererseits erleichtert es dem Rechtsanwalt den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nachzuweisen. Diese Funktionen kann die Vergütungsvereinbarung nur dann erfüllen, wenn sie ausreichend bestimmt ist. Bei einer Vergütungsvereinbarung muss eindeutig feststehen, für welche Tätigkeiten der Auftraggeber eine höhere als die gesetzliche Vergütung zahlen soll. Eine pauschale Bezeichnung der anwaltlichen Tätigkeit lässt nicht den Schluss zu, dass die Vergütungsvereinbarung ohne jede zeitliche Beschränkung auch für alle zukünftigen Mandate gelten soll.
2. Zur Angemessenheit eines Stundensatzes von 300 EUR zzgl. MwSt. für die anwaltliche Tätigkeit, § 3a Abs. 2 RVG.
3. Die Abrechnung eines anwaltlichen Zeithonorars im 15-Minuten-Takt erfordert eine entsprechende Vereinbarung.
Normenkette
RVG § 3a Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 4b
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 10.01.2014; Aktenzeichen 5 O 44/13) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 10.1.2014 (Az. 5 O 44/13) wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.655,11 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.10.2012 zu zahlen.
2. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
3. Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 54 % und die Beklagte zu 46 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.248,90 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, von der Klägerin gezahltes Anwaltshonorar zurückzuzahlen.
Die Beklagte ist eine Rechtsanwaltssozietät. Am 15.6.2011 suchte die Klägerin die Kanzlei der Beklagten in K. auf, um deren anwaltliche Tätigkeit in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin, die ebenso wie ihr Ehemann italienische Staatsangehörige ist, hatte sich zuvor von ihrem Ehemann getrennt. Im Zusammenhang mit der Trennung war es zu Gewalttätigkeiten des Ehemannes gekommen. Aus der am 29.11.2007 geschlossenen Ehe ist eine minderjährige Tochter hervorgegangen. Die Klägerin beauftragte die Beklagte zunächst mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in den Verfahren "Ehescheidung", "Trennung nach italienischem Recht" und "elterliche Sorge", wobei die Beklagte entsprechende Anträge gerichtlich geltend machen sollte.
Im Rahmen der ersten und einzigen Besprechung am 15.6.2011 unterzeichnete die Klägerin mit der Beklagten, vertreten durch Rechtsanwalt P., eine Vergütungsvereinbarung. Im Betreff dieser Vereinbarung wird angegeben: "wegen deutsch-italienischem Recht." Die Vereinbarung sieht unter Ziff. 1 vor, dass für die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit in obiger Rechtssache anstelle der gesetzlichen Gebühren eine Stundenvergütung i.H.v. 300 EUR zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer vereinbart wird. Unter Ziff. 4 der Vereinbarung findet sich ein Hinweis darauf, dass mit dieser Vergütungsvereinbarung von gesetzlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abgewichen wird. Hinsichtlich der Einzelheiten wird ergänzend auf die Vereinbarung vom 15.6.2011 (Anlage K 4 Anlagenheft, Anlage zum Schriftsatz vom 28.2.2013) verwiesen.
Die Beklagte ist darüber hinaus noch in zwei Gewaltschutzverfahren zum Schutze der Klägerin und deren Tochter und in einem gegen den Ehemann gerichteten Privatklageverfahren tätig geworden. Die Beklagte fertigte verschiedene Antragsentwürfe in den oben genannten Verfahren; tatsächlich wurde jedoch kein einziger Antrag bei Gericht eingereicht.
Unter dem 20.4.2012 rechnete die Beklagte ihre Vergütung für ihre außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit auf Stundenbasis wie folgt ab:
Sorgerecht: |
4,75 Stunden |
1.719,55 EUR |
Trennung: |
15,25 Stunden |
5.468,05 EUR |
Anruf 6.7.2011 + 7.7.2014 |
0,50 Stunden |
202,30 EUR |
Annäherungsverbot (Klägerin) |
6 Stunden |
2.165,80 EUR |
Annäherungsverbot Tochter |
1,50 Stunden |
559,30 EUR |
Privatklage |
7,50 Stunden |
2.701,30 EUR |
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12.816,30 EUR |
Hinsichtlich der Einzelheiten wird ergänzend auf die Abrechnung vom 20.4.2012 (Anlage B1 Anlagenheft, Anlage zum SS. vom 14.6.2013) verwiesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie der Beklagten Anwaltshonorar nur in Höhe der gesetzlichen Gebühren schulde. Sie hat vorgetragen, dass die Beklagte gegen ihre Aufklärungspflicht verstoßen habe. Die Beklagte habe sie nicht darüber informiert, dass im Erstattungsfalle von der Gegenseite, der Staatskasse oder einem sonstigen Beteiligten Erstattung nur in Höhe der gesetzlichen Gebühren gefordert werden könne. Da ihr Ehemann vermögenslos sei, sei lediglich klar gewesen, dass sie zunächst die Kosten zu tragen habe. Sie sei auch nicht darüber aufgeklärt worden, dass die vereinbarte Gebühr die gesetzlichen Gebühren bei Weitem übersteige. Bei der Erstberatung sei zwar eine Summe von 10.000 ...