Leitsatz (amtlich)
1. Für die Frage, ob ein Bildnis einer Person dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG), kommt es auf eine Abwägung an, bei der der Informationswert des Bildnisses und der begleitenden Wortberichterstattung und die Umstände der Gewinnung des Bildnisses mit dem Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten in Ausgleich zu bringen sind. Dabei genügt die Zulässigkeit des Inhalts der Wortberichterstattung in Abgrenzung zur Schmähkritik allein nicht, um die Bebilderung ohne die Einwilligung des Betroffenen zu rechtfertigen.
2. Der Umstand, ob die mit dem bebilderten Beitrag vermittelte Information der objektiven Berichterstattung, der Teilnahme am Meinungsbildungsprozess oder der satirischen Unterhaltung zuzurechnen ist, führt bei der auf die Frage des zeitgeschichtlichen Ereignisses (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) bezogenen Abwägung nicht zu einer unterschiedlichen Gewichtung.
3. Wenn der Informationsgehalt der bebilderten Berichterstattung und des Bildnisses in Bezug auf das öffentliche Interesse an der abgebildeten Person gering ist und das abgebildete Ereignis auf die Täuschung über die beabsichtigte Verwendung der Aufnahmen zurückzuführen ist, kann das Persönlichkeitsrecht bei der Abwägung überwiegen.
4. Wer in einem Fernsehbeitrag, der in einer mit seinem Namen versehenen Sendung verbreitet wird, eine einen Unterlassungsanspruch begründete Handlung als seine Idee und unter seiner Mitwirkung geschehen für sich in Anspruch nimmt, ist auch dann als Störer anzusehen, wenn die endgültige Fassung der Sendung von einer Produktionsgesellschaft und einem Fernsehsender redaktionell verantwortet werden.
Verfahrensgang
LG Offenburg (Aktenzeichen 2 O 20/21) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 15.11.2022, Az. 2 O 20/21, wie folgt abgeändert:
a) Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die in dem als Anlage K 1 zur Klageschrift vom 19.01.2021 zur Akte gereichten Filmbeitrag in der Datei "K-1 P Gefaehrlich ehrlich Sendung converted uplo.mp4" (eBeiheft zur elektronischen Gerichtsakte) in den Filmsequenzen von Minute 12:11 bis 12:20, von Minute 12:22 bis 12:26, von Minute 12:28 bis 13:14, von Minute 13:15 bis 13:23, von Minute 14:21 bis 14:23, von Minute 14:24 bis 14:26, von Minute 14:41 bis 14:48, von Minute 14:58 bis 15:00, von Minute 15:06 bis 15:09, von Minute 15:12 bis 15:20, von Minute 15:27 bis 15:29, von Minute 15:33 bis 15:38 sowie von Minute 15:45 bis 15:47 zu sehenden Bildnisse des Klägers im Fernsehen oder in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in dem als Anlage K 1 zur Klageschrift vorgelegten Filmbeitrag aus der Sendung "P - gefährlich ehrlich" vom 29.10.2020.
b) Der Beklagte wird verurteilt, die in Ziffer 1 aufgeführten Filmsequenzen aus dem als Anlage K 1 zur Klageschrift vom 19.01.2021 zur Akte gereichten Filmbeitrag in der Datei "K-1 -P Gefaehrlich ehrlich Sendung converted uplo.mp4" (eBeiheft zur elektronischen Gerichtsakte) vollständig und dauerhaft auf den Internetpräsenzen, deren Inhalt der Beklagte bestimmt, zu löschen.
c) Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR oder für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht.
d) Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 2.046,82 EUR freizustellen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche auf Unterlassung und Löschung wegen veröffentlichter Filmaufnahmen geltend.
Der Kläger ist aufgrund seiner in den 80er- und 90er-Jahren errungenen Erfolge als Profi-Tennisspieler eine international bekannte Person, über deren Privatleben und geschäftliche Aktivitäten auch nach dem Ende der sportlichen Karriere bis in die Gegenwart hinein in verschiedenen Medien ausführlich berichtet wurde. Der Kläger nutzte seit seinem Bekanntwerden seine Popularität, um für verschiedene Produkte zu werben. Während der streitgegenständlichen Vorgänge hatte der Kläger seinen Wohnsitz in England. Am 21.06.2017 wurde dort ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Die im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren gegen ihn erhobenen Vorwürfe und die im September 2020 bekannt gewordenen strafrechtlichen Ermittlungen waren Gegenstand umfangreicher Medienberichterstattung; wegen der Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut K 9 sowie die Anlage B 1 vom 17.09.2021 verwiesen. Im Jahr 2020 wurde unter dem Namen des Klägers eine Mode-Kollektion auf den Markt gebracht, für die der Kläger warb und öffentlich auftrat.
Der Beklagte ist im deutschen Fernsehen sowie in sozialen Medien als Komiker und Moderator ...