Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsquote zwischen Radfahrer und Pkw bei beiderseitigen Verkehrsverstößen

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer Kollision zwischen einem Radfahrer, der entgegen einem Verbot den linken Radweg benutzt, und einer Pkw-Fahrerin, die aus einer Grundstücksausfahrt herausfährt, und dabei infolge Unaufmerksamkeit den in der falschen Richtung fahrenden Radfahrer nicht bemerkt, kommt eine hälftige Schadensteilung in Betracht.

 

Normenkette

BGB § 254 Abs. 1; StVO § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 4 S. 4, § 10 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 25.07.2014; Aktenzeichen H 5 O 82/14)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Konstanz vom 25.07.2014 - H 5 O 82/14 - wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das Urteil des LG Konstanz vom 25.07.2014 - H 5 O 82/14 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.530,30 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2013.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.04.2014.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die weiter gehende Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall vom 24.10.2013 gegen 16:00 Uhr im Bereich der Hauptstraße in S. geltend.

Der Kläger ist Eigentümer des am Unfall beteiligten Pkw Opel, der zum Zeitpunkt des Unfalls von der Tochter des Klägers, der Zeugin M., gefahren wurde. Die Zeugin kam mit dem klägerischen Fahrzeug aus dem Hof einer Arztpraxis, die sich in der H. straße 48 befindet. Aus der Ausfahrt kommend überquerte sie mit dem Pkw den Bereich des entlang der Hauptstraße verlaufenden Gehwegs und den Bereich des Radwegs. Der Gehweg hat im Bereich der Unfallstelle eine Breite von 3,30 m, der Radweg eine Breite von 1,70 m. Die Zeugin wollte mit dem Pkw auf der Hauptstraße nach rechts einbiegen. Während des Fahrmanövers der Zeugin näherte sich von rechts auf dem Radweg der am 20.06.1999 geborene Beklagte mit seinem Fahrrad. Der Radweg war im Bereich der Unfallstelle nicht für die Fahrtrichtung des Beklagten freigegeben, sondern nur für die Gegenrichtung. Der Beklagte hätte für seine Fahrtrichtung den auf der gegenüberliegenden Seite der Hauptstraße verlaufenden Radweg benutzen können. Während des Einfahrmanövers der Zeugin M. kam es zur Kollision; der Beklagte fuhr mit seinem Fahrrad gegen die Beifahrertür des klägerischen Fahrzeugs. Der Beklagte wurde verletzt, der Pkw des Klägers wurde beschädigt.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem LG von dem Beklagten vollen Ersatz seines Schadens in Höhe von 7.060,60 EUR und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, für den Unfall sei der Beklagte allein verantwortlich. Zum Unfall wäre es nicht gekommen, wenn der Beklagte nicht verbotswidrig den Radweg in der falschen Richtung benutzt hätte. Im Bereich der Grundstücksausfahrt habe für die Zeugin M. eine Sichtbehinderung nach rechts bestanden. Die Zeugin habe sich bei der Ausfahrt aus dem Grundstück langsam und vorsichtig in den Bereich des Fuß- und Radwegs hineingetastet. Der von rechts kommende Beklagte sei für die Zeugin vor der Kollision nicht erkennbar gewesen. Die Zeugin habe keine Möglichkeit gehabt, den Unfall zu verhindern.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das weit überwiegende Verschulden treffe die Zeugin M., die sich keineswegs langsam in den Geh- und Radweg hineingetastet habe. Der Beklagte habe keine Möglichkeit gehabt, auf das Fahrmanöver der Zeugin vor der Kollision zu reagieren.

Das LG hat den Beklagten und die Zeugin M. zum Unfallablauf vernommen. Mit Urteil vom 25.07.2014 hat das LG den Beklagten zur Zahlung von 4.236,00 EUR Schadensersatz sowie zur Zahlung von Anwaltskosten in Höhe von 492,54 EUR, jeweils nebst Zinsen, verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das LG hat hierbei eine Haftungsquote von 60 % zu Gunsten des Klägers zugrunde gelegt. Das überwiegende Verschulden für das Unfallereignis treffe den Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 25.07.2014 verwiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er beanstandet das erstinstanzliche Urteil aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen. Der Kläger hält daran fest, dass die Zeugin M. den Unfall nicht durch ein anderes Fahrverhalten hätte vermeiden können. Sie habe vor ihrem Entschluss, in die Fahrbahn der Hauptstraße einzufahren, zweimal angehalten, um sich sorgfältig in beide Richtungen zu vergewissern, ob Fußgänger oder Radfahrer gefährdet werden könnten. Der Beklagte sei mit seinem Fahrrad für d...

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