rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz
Orientierungssatz
§ 6.28 Nr. 2 Satz 1 BinSchStrO, wonach bei der Annährung an den Schleusenbereich (wozu auch der Schleusenvorhafen zählt) die Fahrzeuge ihre Fahrt verlangsamen müssen, ist „Schutzgesetz” im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
Verfahrensgang
AG Mainz (Urteil vom 10.03.2000; Aktenzeichen 76 C 7/99 BSch) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Schifffahrtsgericht – Mainz vom 10. März 2000 – 76 C 7/99 BSch – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage ist dem Grunde nach zu drei Vierteln gerechtfertigt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Klagansprüche sowie über die Kosten des Berufungsverfahrens wird die Sache an das Amtsgericht – Schifffahrtsgericht – Mainz zurückverwiesen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Wert übersteigt für keine der Parteien 60.000,00 DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Haftung für die Folgen einer Schiffskollision, die sich am 09.03.1999 auf dem Main bei Kilometer 4 im Oberwasser der Schleuse Kostheim zugetragen hat.
Die Klägerin ist Versicherer des MS „S.”, die Beklagte zu 1 ist Ausrüsterin von MS „R.”.
Am 09.03.1999 war MS „R.” der Schubleichter (SL) „L.” vorgekoppelt. MS „R.” ist 105 m lang und 11,40 m breit, hat einen Tiefgang von 2,80 m und ist ausgerüstet mit zwei Motoren á 150 PS. SL „L.” ist 76,50 m lang, 11,40 m breit und verfügt über ein Bugstrahlruder mit 300 PS. Beladen war der Koppelverband mit insgesamt 3832 to. Motorschiff und Schubleichter wiesen einen einheitlichen Tiefgang von 2,80 m auf.
MS „S.” ist 85 m lang, 10,15 m breit und 1.541 to groß. Es weist einen maximalen Tiefgang von 2,82 m und einen Leertiefgang von gemittelt 0,77 m auf. Ausgerüstet ist das Schiff mit einem Motor mit 800 PS bei 375 Upm. Daneben hat das Schiff ein Bugstrahlruder mit 220 PS.
Am 09.03.1999 etwa gegen 04.20 Uhr befand sich der Schubverband (SV) bestehend aus MS „R.” und SL „L.” zu Berg fahrend im Oberwasser der Schleuse Kostheim. Zur gleichen Zeit fuhr MS „S.”, das von dem Schiffseigner S. geführt wurde, zu Tal auf die Schleuse Kostheim zu. Das Schiff fuhr leer ohne Ballast von Flörsheim in Richtung Rhein. Im obersten Teil des Oberwassers der Schleuse Kostheim kam es zu einem Zusammenstoß zwischen dem MS und dem SV. Dabei erlitt der Schubverband keine Schäden; Gegenstand der Klage sind die an MS „S.” entstandenen Schäden.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug im wesentlichen vorgetragen:
Schiffsführer S. habe MS „S.” mit einer Umdrehungszahl von ca. 320 Upm – was einer normalen Geschwindigkeit entspreche – zu Tal gefahren. Er habe sich zuerst bei Mainkilometer 7,0 und dann bei Mainkilometer 5,0 bei der Schleuse Kostheim über Funk gemeldet und erfahren, dass zwei Bergfahrer hochschleusten und die Schleuse dann MS „S.” klar sei. Als MS „S.” gegen 04.20 Uhr sich in Höhe von Mainkilometer 4,2 befunden habe, habe Schiffsführer S. unterhalb der Autobahnbrücke im Vorkanal der Schleuse einen beladenen Koppelverband gesehen. Dieser Verband sei korrekt ohne Blinklicht fahrend zu Berg gekommen, so dass eine problemlose backbord-backbord-Begegnung mit MS „S.” zu erwarten gewesen sei. Erst als sich die begegnenden Schiffe nur noch in einem Kopf-auf-Kopf-Abstand von ca. 300 m befunden hätten, sei der Kopf des Koppelverbandes plötzlich nach backbord verfallen, was Schiffsführer S. veranlasst habe, sich sofort über Kanal 10 mit den Worten zu melden: „Der Koppelverband im Oberwasser der Schleuse Kostheim: backbord-backbord, macht bitte etwas mehr Platz”. Von Seiten des Koppelverbandes sei jedoch keine Reaktion erfolgt. Der Koppelverband sei weiterhin nach Backbord verfallen, so dass der Schiffsführer S. seine Maschine auf Stopp gestellt habe und mit dem Bugstrahlrunder volle Kraft zurück. Eine Havarie sei aber infolge des kurzen Abstands nicht mehr vermeidbar gewesen. Die Schiffe seien dann in der Weise kollidiert, dass das Backbordvorschiff von MS „S.” mit dem Backbordvorschiff des vorgekoppelten Schubleichters, beide etwa in Höhe der Pollerbank, zusammengestoßen seien. Infolge dieses Anstoßes sei das Steuerbordvorschiff von MS „S.” ebenfalls in Höhe der Pollerbank mit dem unmittelbar oberhalb der Autobahnbrücke Hochheim in Verlängerung der Trenndammlinie liegenden Dalben kollidiert.
Die Klägerin hat beantragt:
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 51.914,20 DM nebst 4 % Zinsen p. a. hieraus seit 21.08.1999 zu bezahlen, wobei die Beklagte Ziff. 1 mit MS „R.” gemäß § 102 Nr. 4 BSchG dinglich haftet.
Die Beklagten haben beantragt:
Die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Sie haben im ersten Rechtszug im wesentlichen vorgetragen:
Im Oberwasser der Schleuse Kostheim hätten auf der linksmainischen Uferseite drei Schiffe hintereinander gelegen, die dort Nachtruhe gehalten hätten. Entsprechend der durch diese Stilllieger eingeschränkten Breite des Oberwassers ...