Leitsatz (amtlich)

Zum Zugang eines Telefax-Schreibens bei "OK"-Vermerk im Sendebericht.

 

Normenkette

BGB § 130

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 06.03.2008; Aktenzeichen 2 O 421/07)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 6.3.2008 - 2 O 421/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 1.4.2007 bis 31.12.2007 aus einer zum 1.6.2003 genommenen Krankenversicherung.

Der Beklagte nahm zum 1.1.2007 eine Tätigkeit als Angestellter auf und wurde dadurch pflichtversichertes Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Er trägt vor, den Versicherungsvertrag durch Telefaxschreiben vom 17.12.2006 unter Hinweis auf seine zum 1.1.2007 eintretende gesetzliche Krankenversicherungspflicht "mit sofortiger Wirkung" gekündigt zu haben. Die Klägerin stellt den Zugang des Telefaxschreibens in Abrede.

Das LG, auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil vom 6.3.2008 Bezug genommen wird, soweit sie mit den hier getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, hat der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen erstinstanzlich gestellten Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien in beiden Instanzen nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der gerichtlichen Verfügungen und Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen W vom 1.9.2008, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird, und durch Vernehmung der Zeugin H. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 16.9.2008 verwiesen.

II. Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

1. Der Beklagte hat den bestehenden Versicherungsvertrag wirksam durch Telefaxschreiben vom 17.12.2006 gekündigt. Entgegen der Vorinstanz ist der Senat - sachverständig beraten - davon überzeugt, dass das Telefaxschreiben vom 17.12.2006 der Klägerin am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr zugegangen ist. Dabei lässt der Senat offen, ob es am Empfangsgerät der Klägerin zu einem Ausdruck des Schreibens gekommen ist.

a) Der BGH hatte in seiner früheren Rechtsprechung mehrfach ausgesprochen, dass ein durch Telefax übermittelter Schriftsatz grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt bei Gericht eingegangen ist, in welchem das Telefaxgerät des Gerichts ihn vollständig ausgedruckt hat (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.1994 - VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665 unter II 3b bb aaa; Beschlüsse v. 4.5.1994 - XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097 unter II 2; v. 19.4.1994 - VI ZB 3/94, NJW 1994, 1881 unter II 2a; v. 12.12.1990 - XII ZB 64/90, VersR 1991, 894 unter 2b). Diese den technischen Gegebenheiten der Telekommunikation nicht mehr gerecht werdende Auffassung hat der BGH jedoch inzwischen aufgegeben. Für den Eingang eines per Telefax übermittelten Dokuments stellt er nunmehr auf den vollständigen Empfang (Speicherung) der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät des Gerichts ab (BGHZ 167, 214, 219 f., 223).

b) Es liegt nicht fern, diese Grundsätze auch auf die Zugangsproblematik im Privatrechtsverkehr zu übertragen (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.1994, a.a.O.). Dem folgt der Senat zumindest dann, wenn es sich beim Empfänger wie hier um eine Aktiengesellschaft handelt, die zu den Kaufleuten zählt (§§ 1, 6 HGB, 3 Abs. 1 AktG). Zumindest ihnen ist im geschäftlichen Verkehr ein Signalzugang als Zugang i.S.d. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls dann zuzurechnen, wenn wie hier konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein (ordnungsgemäßer) Ausdruck des Schreibens aus von der Klägerin nicht zu vertretenden Gründen gescheitert sein könnte, weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Denn damit ist das Telefaxschreiben - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen (vgl. nur Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl. 2008, § 130 Rz. 5) - so in ihren Empfangsbereich gelangt, dass sie die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der enthaltenen Willenserklärung Kenntnis zu nehmen.

c) Die Überzeugung dafür, dass der Beklagte das Kündigungsschreiben vom 17.12.2006 an die Klägerin gesendet hat und die gesendeten technischen Signale am 18.12.2006 gegen 1.46 Uhr vollständig im Telefaxgerät der Klägerin angekommen sind, hat der Senat kumulativ anhand der A...

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