Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf gesetzliche Vergütung trotz Mehrkostenverbots für beigeordneten auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten
Leitsatz (redaktionell)
1. Höhere Reisekosten i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO können nur dann entstehen, wenn die Entfernung der Kanzlei des nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts weiter vom Prozessgericht entfernt ist, als der am weitestens im Gerichtsbezirk entfernte Ort. In diesen Fällen ist die Beschränkung des § 121 Abs. 3 ZPO vorzunehmen.
2. Bei einem Rechtsanwalt wird die Kenntnis des Mehrkostenverbots des § 121 Abs. 3 ZPO vorausgesetzt. Wenn ein auswärtiger Rechtsanwalt gleichwohl seine Beiordnung beantragt, muss er davon ausgehen, dass seinem Antrag nur im gesetzlich zulässigen Umfang stattgegeben wird. Dies erfolgt durch die Beschränkung der Beiordnung zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts.
Normenkette
FamFG § 113; ZPO § 121 Abs. 3; RVG § 45 Abs. 1, § 46
Verfahrensgang
AG Überlingen (Beschluss vom 30.06.2010; Aktenzeichen 2 F 50/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Überlingen vom 30.6.2010 (2 F 50/10) dahingehend abgeändert, dass die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt K., zu den Bedingungen eines im Bezirk des Familiengerichts Überlingen niedergelassenen Rechtsanwalts erfolgt.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin begehrt seine unbeschränkte Beiordnung als Verfahrensbevollmächtigter im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe in einer die Antragstellerin betreffenden Familiensache.
Das Familiengericht Überlingen hat der Antragstellerin durch Beschluss vom 30.6.2010 in der genannten Familiensache Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt K. aus F. zu den Bedingungen eines am Sitz des Verfahrensgerichts ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet. Auf den angefochtenen Beschluss wird verwiesen.
Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit am 15.7.2010 beim Familiengericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, dass eine Beschränkung der Beiordnung zu den Bedingungen eines am Sitz des Gerichts ansässigen Rechtsanwalts nicht in Betracht komme. Jedenfalls müssten die Fahrtkosten vom Wohnsitz der Antragstellerin in M. zum Verfahrensgericht erstattet werden, da die Antragstellerin berechtigt sei, einen an ihrem Wohnsitz ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen. Zumindest müsse die Beiordnung zu den Bedingungen eines am Gerichtsort zugelassenen Rechtsanwalts erfolgen. Auf die Beschwerdebegründungen vom 14.7.2010 und 29.7.2010 wird Bezug genommen.
Das Familiengericht Überlingen hat der Beschwerde durch Beschluss vom 4.8.2010 nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt.
II. Die gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin ist beschwerdeberechtigt (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 127 Rz. 19 m.w.N.). Die Beschwerdeschrift ist dahingehend auszulegen, dass Beschwerdeführer der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin ist. Aus der Formulierung "... legen wir ... Beschwerde ein" folgt, dass nicht eine einzelne Person, sondern mehrere Personen Beschwerde einlegen. Dies kann entweder die Antragstellerin und ihr Verfahrensbevollmächtigter oder die Anwaltskanzlei sein. In Hinblick darauf, dass es um die anwaltliche Vergütung geht und dass bei einer Beschwerde eines Beteiligten und seines Rechtsanwalts im allgemeinen die Formulierung "im Namen des Beteiligten und im eigenen Namen" gebräuchlich ist, ist davon auszugehen, dass der Anwalt im eigenen Namen Beschwerde eingelegt hat (OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 163). Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin ist durch die Einschränkung auf die Vergütungsansprüche eines ortsansässigen Anwalts beschwert (BGH NJW 2006, 3783).
2. Die uneingeschränkte Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin kommt nicht in Betracht, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 121 Abs. 3 ZPO.
Gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 121 Abs. 3 ZPO darf ein nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Diese Regelung führt jedoch nicht dazu, dass Reisekosten vollständig vermieden werden. Ein beigeordneter Rechtsanwalt hat gem. § 45 Abs. 1 RVG einen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung. Dazu gehören gem. § 46 Abs. 1 RVG auch Auslagen, insbesondere Reisekosten, soweit sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich sind. An dieser Erforderlichkeit bestehen bei der Wahrnehmung von Gerichtsterminen durch den VKH-Anwalt in der Regel keine Zweifel (MünchKomm/Motzer, BGB, 3. Aufl. 2008, § 121 Rz. 17). Zu den erstattungsfähigen Reisekosten gehören nach de...