Entscheidungsstichwort (Thema)
(Eindrucks-) Gegendarstellung: Maßgebliche Verständnismöglichkeit bei mehrdeutiger Erstmitteilung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Gegendarstellungsanspruch besteht auch bezüglich solcher Tatsachenbehauptungen, die lediglich verdeckt aufgestellt werden bzw. sich aus dem Gesamtzusammenhang des Textes - unter Einbeziehung diesem etwa beigegebener Bilder - im Wege der Sinninterpretation ergeben.
2. Entscheidend für das Bestehen eines Anspruchs auf Veröffentlichung einer Eindrucksgegendarstellung ist, in welchem Sinne der dem konkreten Adressatenkreis angehörende Leser die Erstmitteilung versteht.
3. Ein Gegendarstellungsanspruch besteht nicht, wenn lediglich bei einem unbedeutenden Teil der Adressaten - hier: 5 bis 10 % - der Eindruck entsteht, die Erstmitteilung enthalte die mit der Gegendarstellung bekämpfte Tatsachenbehauptung.
Normenkette
Bad.-württ. LPG § 11
Verfahrensgang
LG Offenburg (Urteil vom 01.08.2007; Aktenzeichen 3 O 260/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Offenburg vom 1.8.2007 - 3 O 260/07 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten der Berufung.
3. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die jetzt 72 Jahre alte (Verfügungs-)Klägerin war eine bekannte deutsche Fernseh-Moderatorin.
Auf der Titelseite der Ausgabe Nr. 24/07 vom 6.6.2007 der von der (Verfügungs-) Beklagten herausgegebenen Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" wurde mit den Worten
"Petra Schürmann
Sechs Jahre nach dem Unfall-Drama ihrer Tochter Alexandra
Bringt ein Baby endlich wieder Licht in ihr tristes Dasein?"
auf einen im Inneren des Heftes veröffentlichten Artikel hingewiesen. Links des Textes ist ein die Klägerin in früheren Jahren zeigendes Brustbild plaziert. In der unteren Hälfte dieses Bildes - unterhalb von Kopf und Hals der Klägerin - ist ein weiß umrahmtes Bild eines deutlichen jüngeren Paares zusammen mit dem in Kleindruck gehaltenen Text angebracht:
"Petras Fast-Schwiegersohn und seine Verlobte erwarten Nachwuchs"
Mit der Begründung, die genannte Veröffentlichung erwecke den Eindruck, dass sie schwanger sei, hat die Klägerin beantragt, der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzuerlegen, im gleichen Teil der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS", in dem der Artikel "Petra Schürmann ... Bringt ein Baby endlich wieder Licht in ihr tristes Dasein?" (FREIZEIT SPASS Nr. 24/07 vom 6.6.2007, S. 68/69) erschienen ist und mit gleicher Schrift unter Hervorhebung des Wortes Gegendarstellung als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:
Gegendarstellung
Auf der Titelseite der FREIZEIT SPASS vom 6.6.2007 heißt es:
"Petra Schürmann ... Bringt ein Baby endlich wieder Licht in ihr tristes Dasein?"
Hiezu stelle ich fest: Ich erwarte kein Baby.
Petra Schürmann
Die Beklagte ist diesem Antrag entgegengetreten.
Wegen des von der Klägerin verfolgten Anspruchs und des zugrunde liegenden Sachverhalts im Einzelnen sowie wegen des Vorbringens der Parteien wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, die Erstmitteilung erwecke jedenfalls bei der gebotenen Berücksichtigung des links neben dem beanstandeten Text eingefügten - die untere Hälfte des Fotos der Klägerin überlagernden - Bildes des jüngeren Paares und des dazugehörigen erläuternden Textes nicht den von der Klägerin vorausgesetzten Eindruck, diese erwarte ein Kind.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag zu der von ihr vertretenen Auffassung, wonach die graphische Gestaltung der auf der Titelseite angeordneten Fotos und Textpassagen "gezielt und beabsichtigt" den Eindruck von einer Schwangerschaft der Klägerin erwecke. Bei der Frage, welchen Eindruck Titelbildveröffentlichungen erwecken, sei in erster Linie auf den "Kiosk- und Gegenüberleser" abzustellen. Diesem sei die Antragstellerin - und damit auch ihr die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft als gering erscheinen lassendes Alter - nicht bekannt. Er sei deshalb auch nicht gehalten, sich mit dem neben dem inkriminierten Text angeordneten Bild des jüngeren Paares zu befassen. Zudem sei der erläuternde Text so klein gehalten, dass er vom "Kiosk- und Gegenübersitzerleser" nicht zur Kenntnis genommen werde. - Zur Bewertung des Eindrucks, den die inkriminierte Veröffentlichung erwecke, sei das Gericht berufen; einer Glaubhaftmachung durch Vorlage des Ergebnisses einer Meinungsumfrage bedürfe es nicht.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Instanzen gewechse...