Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verkehrssicherungspflicht des Verwalters einer Wohnanlage; Übertragung der Streupflicht auf Hausmeisterfirma; Umfang der Streupflicht; zur Berechnung des Haushaltsführungsschadens (maßgeblicher Zeitaufwand)
Leitsatz (amtlich)
1. Die dem Verwalter durch Vertrag übertragene Pflicht, alles zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung Notwendige zu tun, umfasst auch die Verkehrssicherungspflicht.
2. Hat der Verwalter einen auch die Räum- und Streupflichten umfassenden Hausmeistervertrag mit einem Dritten nicht im Namen der Wohnungseigentümer, sondern im eigenen Namen abgeschlossen, so bedient er sich zur Erfüllung seiner Streupflicht des Dritten und haftet gem. § 278 BGB für dessen Verschulden.
3. Die Räum- und Streupflicht bezieht sich bei einer Wohnanlage nicht nur auf die zu dieser gehörenden Wege, sondern auch auf den Personenzugang zur Tiefgarage.
4. Der Berechnung des Schadens wegen unfallbedingter Verminderung häuslicher Arbeitsleistung ist nicht der Arbeitsaufwand zugrunde zu legen, den der Geschädigte nach seinem Vortrag selbst vor dem Unfall betrieben hat. Maßgeblich ist vielmehr, welche Zeit eine jüngere und gesunde Hilfskraft gebraucht hätte, um die objektiv erforderlichen, aber auch hinreichenden Hausarbeiten im Haushalt des Geschädigten zu verrichten.
Normenkette
BGB § 278 S. 1, § 823 Abs. 1, § 843; WEG § 27 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 05.06.2007; Aktenzeichen 1 O 8/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Freiburg vom 5.6.2007 - 1 O 8/07 - teilweise abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.875,48 EUR zu bezahlen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.522,80 EUR vom 30.9.2006 bis zum 30.4.2007 und aus 3.875,48 EUR seit dem 1.5.2007 sowie 495,11 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten.
Die Beklagten werden ferner als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Schmerzensgeld i.H.v. 10.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.1.2007 zu bezahlen. Die Beklagte Ziff. 2 wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.000 EUR vom 12.1.2007 bis zum 14.1.2007 zu bezahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus dem Glatteisunfall am 12.3.2006 noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen. Ferner wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin eventuelle zukünftige, noch nicht erkenn- und voraussehbare immaterielle Schäden zu ersetzen, die ihr aus dem Glatteisunfall am 12.3.2006 entstehen werden.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagten 4/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer Verletzung der Streupflicht auf Schadensersatz in Anspruch.
Die im Jahr 1938 geborene Klägerin wohnt in einer Mietwohnung in einer Wohnanlage in S. Die aus drei Häusern bestehende, Ende 2001 fertiggestellte Gesamtanlage hat eine Tiefgarage, in die man - von der Straße und einem in die Wohnanlage führenden Privatweg kommend - über eine abschüssige Rampe gelangt. Der obere Teil der Rampe liegt im Freien und ist nicht überdacht. Der untere Teil der Rampe, der durch ein Rollgitter und eine für den Durchgang von Personen bestimmte Gittertür von dem oberen abgetrennt ist, befindet sich im Gebäude. Im mittleren Bereich der Gittertür ist ein Blech angebracht. Etwa zwei Meter hinter dem Rollgitter und der Gittertür trifft die Rampe auf den Boden der Tiefgarage; dort ist eine querverlaufende Birkorinne installiert.
Die Wohnungseigentümer haben einen Verwaltervertrag mit der Beklagten Ziff. 2 abgeschlossen, nach dem diese im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens alles zu tun hat, "was zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung notwendig ist"; die Beklagte Ziff. 2 war u.a. beauftragt und berechtigt, einen Hausmeister auszuwählen und mit diesem einen Vertrag abzuschließen. Die Beklagte Ziff. 2 hat mit der Beklagten Ziff. 1 einen Vertrag über Hausmeistertätigkeiten abgeschlossen. Nach diesem Vertrag hatte die Beklagte Ziff. 1 nach Bedarf Schnee zu räumen und abstumpfende Mittel zu streuen.
Ausweislich des vorgelegten Wettergutachtens hat es am 11.3.2006 in S. zunächst geregnet und später geschneit. In der ersten Tageshälfte des 12.3.2006 gab es anhaltenden Schneefall und ab Mittag einzelne Schneeschauer (Tagesmenge ca. 2 cm). Die Temperatur betrug - 2 C. Das Gutachten vermerkt weiter: "verbreitet Glätte durch Eis und Schnee".
Die Klägerin hat aufgrund eines im Jahr 1967 erlittenen Unfalls ein versteiftes rechtes Kniegelenk. Am 12.3.2006 gegen 16.00 Uhr wollte sie mit ihrem Ehemann einen Sonntagsspaziergang unternehmen. Nachdem sie das ...