Leitsatz (amtlich)
Ein Befunderhebungsmangel führt im Arzthaftungsprozess nur dann zu einer Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr, wenn ein reaktionspflichtiges Befundergebnis hinreichend wahrscheinlich ist ( verneint bei Verschluss eines Beinvenenbypasses ).
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 505/03) |
Tenor
In Sachen ... weist der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz den Kläger darauf hin, dass beabsichtigt ist, seine Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen ( § 522 Abs. 2 ZPO ).
Gründe
Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Was die Berufung dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig.
1.
Der 1950 geborene Kläger nimmt das beklagte Krankenhaus und vier dort tätige Ärzte auf Schmerzensgeldzahlung und Fest-stellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden in Anspruch. Dem Kläger, Raucher und Diabetiker, war im Januar 1998 wegen Durchblutungsstörungen im rechten Bein ein Bypass gelegt worden. Am 11. Juni 1998 wurde er wegen Oberbauchbeschwerden notfallmäßig in das beklagte Krankenhaus aufgenommen und dort bis zum 24. Juni 1998 behandelt. Den beklagten Ärzten lastet der Kläger ein Befunderhebungsversäumnis an. Dadurch sei ein schon seinerzeit vorhandener Bypassverschluss unentdeckt geblieben. Bei sachgemäßem Handeln mit alsbaldiger Krisenintervention wären Nachbehandlungen und insbesondere die im Oktober 1999 vorgenommene Amputation des rechten Unterschenkels vermieden worden.
2.
Das sachverständig beratene Landgericht hat Zeugenbeweis erhoben und die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe zwar mehrfach über Schmerzen geklagt, die angesichts der Operation im Januar 1998 eine weitere Befunderhebung am rechten Bein erfordert hätten. Indes könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die versäumte Untersuchung bereits zu diesem Zeitpunkt einen Verschluss des Bypasses ergeben hätte.
3.
Dagegen wendet sich die Berufung ohne Erfolg.
a.
Nach ständiger Spruchpraxis des Senats, die auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gründet, kann das Versäumnis einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung bereits dann zu einer Beweiserleichterung bis hin zu einer Beweislastumkehr führen, wenn es nur als einfacher ärztlicher Fehler zu qualifizieren ist. Sowohl beim einfachen als auch beim grob fehlerhaften Befunderhebungsversäumnis ist jedoch für Beweiserleichterungen erforderlich, dass ein reaktionspflichtiges Befundergebnis hinreichend wahrscheinlich ist.
b.
Von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ist auch das Landgericht ausgegangen und hat es mit überzeugender Begründung als nicht hinreichend wahrscheinlich angesehen, dass die versäumte weitere Befunderhebung bereits in der Zeit zwischen dem 11. und 24. Juni 1998 einen Bypassverschluss ergeben hätte. Den kontrovers diskutierten medizinischen Fachfragen ist das Landgericht nachgegangen und hat sich im Termin vom 5. September 2007 durch Anhörung des medizinischen Sachverständigen Dr. N. um Klärung bemüht, ob ein reaktionspflichtiger Befund im genannten Zeitraum hinreichend wahrscheinlich ist.
Dazu hat der Sachverständige erklärt, aus den Anfang Juli 1998 in der Universitätsklinik Bonn erhobenen Befunden könne nicht gefolgert werden, dass ein Bypassverschluss bereits zum Zeitpunkt des Krankenhausaufenthaltes im Juni 1998 vorgelegen habe.
Dass die Berufung die aktenkundigen medizinischen Gegebenheiten anders würdigt, ist nachvollziehbar, indes nicht geeignet, die Feststellungen und Schlussfolgerungen des gerichtlichen Sachverständigen zu entkräften. Der weitere Behandlungsverlauf belegt deutlich, dass ein Bypassverschluss sich innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums bilden kann. Dass eine Altersbestimmung des am 8. Juli 1998 entfernten Thrombus unterblieb, kann nicht den Beklagten angelastet werden.
Soweit die Berufung meint, das Landgericht habe den Sachverhalt durch ergänzende Befragung des Sachverständigen weiter aufklären müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Der Kläger war in dem Beweisaufnahmetermin am 5. September 2007 anwaltlich vertreten. Was sich seinem Prozessvertreter an ergänzenden Fragen nicht aufdrängte, musste sich auch dem Gericht angesichts der aktenkundigen Ausführungen des gerichtlichen Gutachters nicht aufdrängen.
Dementsprechend bedarf es auch nicht der Befragung eines weiteren Gutachters.
4.
Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Frist zur Stellungnahme: 2. Mai 2008
Fundstellen