Leitsatz (amtlich)

1. Zur - hier bejahten - trotz Umgangsausschlusses ausnahmsweisen Nichterforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands und Anhörung des Kindes, wenn das betroffene Kind noch klein ist und bisher keinen Kontakt zu seinem Umgang begehrenden Vater hatte.

2. Zum - hier bejahten - Umgangsausschluss eines Ausländers, dem die Abschiebung droht, mit seinem in Deutschland lebenden Kind, zu dem keine Eltern-Kind-Beziehung besteht.

3. Obgleich im familiengerichtlichen Verfahren nicht über die Ausweisung und Abschiebung eines Umgang begehrenden Elternteils entschieden wird, ist die ausländer- und aufenthaltsrechtliche Rechtslage dennoch im Umgangsverfahren als Vorfrage selbstständig zu prüfen.

 

Normenkette

BGB § 1684 Abs. 1, 4 S. 1, § 1684 S. 2; GG Art. 6 Abs. 1-2; AufenthG § 11 Abs. 1, 12, 18, §§ 32, 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 4; FamFG §§ 26, 158 Abs. 1, 2 Nr. 5, Abs. 4, § 159 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG St. Goar (Beschluss vom 04.11.2015)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - St. Goar vom 04.11.2015 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

3. Dem Antragsteller wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe versagt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist malischer Staatsangehöriger. Er ist der leibliche Vater des betroffenen, am 13.08.2011 geborenen Kindes N. aus einem beendeten Verhältnis mit der Kindesmutter.

Der Antragsteller ist bereits mehrfach straffällig geworden. Zunächst wurde er im Mai 2012 wegen des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz in drei Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt. Aufgrund einer sich in der Folgezeit anschließenden mehrjährigen Inhaftierung wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in 16 Fällen und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen bestand bisher noch kein Kontakt zwischen Vater und Kind.

Mit Bescheid vom 03.07.2015 erfolgte die Ausweisung des Antragstellers aus dem Bundesgebiet. Die Wirkung der Ausweisung wurde dabei auf acht Jahre, beginnend mit dem Tag der Ausreise bzw. Abschiebung, befristet. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Eine Abschiebung scheiterte bislang an fehlenden Ausweispapieren. Ein malischer Pass ist beantragt.

Nachdem sich der Antragsteller aufgrund Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung wieder auf freiem Fuß befindet und bei seiner Mutter lebt, erstrebt er die Einräumung von begleitetem Umgang mit seinem Sohn. Er meint, ein solcher sei für das Kind förderlich, zumal N. dadurch auch seine Wurzeln kennenlernen und diesbezüglich ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln könne.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegen getreten. Aufgrund der drohenden Abschiebung widerspreche der Aufbau eines Kontakts zwischen Kind und Vater dem Kindeswohl. Denn Kontinuität und Beständigkeit dieses Kontakts seien von vornherein ausgeschlossen oder zumindest sehr fraglich.

Das Jugendamt hält eine Kontaktanbahnung zwischen Kind und Vater aus Kindeswohlgründen ebenfalls erst nach dauerhaft gesichertem Aufenthaltsstatus für ratsam.

Hierauf hat das Familiengericht mit der angefochtenen Entscheidung den Umgangsantrag nach persönlicher Anhörung der Kindeseltern und des Jugendamts zurückgewiesen sowie den Umgang für die Dauer von drei Jahren ausgeschlossen. Zur Begründung führt es aus, dass bislang keine Kontakte zwischen Kind und Vater bestanden haben. Ein mit einem Umgang erfolgender Beziehungsaufbau drohe hier aufgrund der Ausweisung und der aktiv betriebenen Abschiebung des Antragstellers nur von vorübergehender Natur zu sein und abrupt abzubrechen. Damit widerspreche ein Umgang dem Kindeswohl. Nachdem sich das ausländerrechtliche Verfahren infolge der fehlenden Ausweispapiere und des eingelegten Widerspruchs noch eine Weile hinziehen werde, sei zugleich ein Umgangsausschluss für die Dauer von drei Jahren auszusprechen. Sollte der Antragsteller wider Erwarten eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erhalten, stehe es ihm frei, aufgrund der geänderten Situation erneut die Gewährung von Umgang zu beantragen.

Hiergegen richtet sich die mit einem Verfahrenskostenhilfeantrag verbundene Beschwerde des Antragstellers, mit welcher er an seinem erstinstanzlichen Begehren festhält. Er macht geltend, das Familiengericht übersehe, dass der Aufbau eines Vater-Kind-Verhältnisses gerade seine Abschiebung verhindere. Denn eine Abschiebung eines ausreisepflichtigen Ausländers sei nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung dann unzulässig, wenn dadurch (wie hier) ein bestehendes Vater-Kind-Verhältnis abgebrochen werde. Demnach müsse das Ausländeramt auch nicht abwarten: Wenn kein Umgangsrecht aufgebaut werde bzw. bestehe, sei abzuschieben; wenn hingegen ein Umgangsrecht bestehe, sei eine Abschiebung unzulässig. Es sei folglich ein unzulässiger Zirkelschluss, den Ausschluss ...

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