Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten eines ortsfernen Verkehrsanwalts in einer Arzthaftungssache; Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Strafanzeige
Leitsatz (amtlich)
1. Im Arzthaftungsprozess ist es regelmäßig nicht notwendig, einen weder am Wohnsitz der Partei noch am Sitz des Gerichts niedergelassenen Verkehrsanwalt mit Spezialkenntnissen zu beauftragen.
2. Erstattet ein Patient parallel zu einem Arzthaftungsprozess Strafanzeige, handelt es sich bei den dadurch verursachten Kosten nicht um notwendigen Prozessaufwand.
Normenkette
ZPO § 91; BRAGO § 52; BGB §§ 823, 847; StPO §§ 152, 170, 172
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Beschluss vom 10.11.2005; Aktenzeichen 3 O 128/95) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Bad Kreuznach vom 10.11.2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen den Klägern zur Last.
Der Beschwerdewert beträgt 12.935,16 EUR (= 85 % der Summe aus 8.459,07 DM, 7.633,15 DM, 430,94 DM, 430,94 DM und 783,58 DM sowie 100 % von 5.226,40 EUR).
Gründe
Das fristgemäß eingelegte Rechtsmittel ist in der Sache ohne Erfolg. Es wendet sich dagegen, dass die Festsetzung von Verkehrsanwaltsgebühren und der Kosten, die den Klägern im Zuge des gegen die Beklagten gerichteten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens entstanden sind, abgelehnt wurde. Die darüber hinaus in der Beschwerdeschrift vorgetragenen Rügen, die die Verzinsung des Erstattungsanspruchs der Kläger und eine unterbliebene Rückfestsetzung betreffen, haben sich durch den Beschl. v. 30.12.2005 und durch die Schriftsätze der Parteien vom 7.12.2005 sowie vom 8.12.2005 erledigt.
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung der Verkehrsanwaltskosten, die sie während des seit 1995 in drei Instanzen anhängigen Rechtsstreits bestritten haben; auf den Ansatz fiktiver Parteireisekosten, die stattdessen zu berücksichtigen sein könnten, ist ausdrücklich verzichtet worden. Bei alledem ist zu sehen: Schon in der Eingangsinstanz war es nicht angezeigt, einen - zumal Wohnsitz fernen - Korrespondenzanwalt zu beauftragen. Deshalb können die Beklagten nicht mit dem dadurch verursachten Mehraufwand belastet werden. Es handelt sich nicht um Kosten, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S.d. 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erforderlich waren.
Die Kläger verweisen vergeblich darauf, dass ihr Verkehrsanwalt eine große medizinische Kompetenz habe einbringen und so im vorliegenden Arzthaftungsrechtsstreit besser als ihre Prozessvertreter habe vortragen können. Denn es ist weder behauptet noch sonst ersichtlich, dass am Gerichtsort keine vergleichbar kundigen Anwälte zur Verfügung gestanden hätten. Die Erfahrungen der gerichtlichen Praxis, mit der der Senat vertraut ist, sprechen vielmehr für das Gegenteil.
Die vorstehenden Erwägungen geltend erst recht für das Berufungs- und für das Revisionsverfahren. Hier konnten sich die jeweiligen Prozessvertreter nämlich zusätzlich auf die tatsächlichen Erkenntnisse stützen, die bereits prozessual gewonnen worden waren.
2. Die Beklagten brauchen auch nicht für die Aufwendungen einzustehen, die den Klägern - durch Anwaltsgebühren - anlässlich der Stellung des Strafantrages und bei der Anfechtung der Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft erwachsen sind. Es ist schon fraglich, ob es sich dabei überhaupt um nach § 103 ff. ZPO festsetzungsfähige Kosten des Rechtsstreits oder nicht vielmehr um Kosten handelt, die - ohne den gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erforderlichen Prozessbezug - deshalb anfielen, weil sich die Kläger zunächst einmal Gewissheit darüber verschaffen wollten, ob eine hinreichende Grundlage für eine Klage gegen die Beklagten vorhanden war (BGH v. 17.12.2002 - VI ZB 56/02, BGHZ 153, 235 ff. = MDR 2003, 413 = BGHReport 2003, 452). Waren die Kläger indessen von vornherein zu einer Klage entschlossen, mussten sie die gebotene Sachaufklärung grundsätzlich dem anstehenden Zivilprozess überlassen; insofern fehlt es dann an der Notwendigkeit der streitigen Aufwendungen. Das gilt um so mehr, als ein Ermittlungs- und Strafverfahren gegen die Beklagten keine vorgreifliche Bedeutung für den Zivilrechtsstreit hatte (OLG Koblenz v. 24.10.2005 - 5 W 656/05, GesR 2005, 550 = OLGReport Koblenz 2006, 83).
3. Der Kostenausspruch beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und auf Nr. 1811 GKG-KV.
Fundstellen
NJW 2006, 1072 |
JurBüro 2006, 259 |
AGS 2006, 519 |
GesR 2006, 127 |
OLGR-West 2006, 415 |