Entscheidungsstichwort (Thema)

Bürgschaft auf erstes Anfordern - Einwendungsausschluss

 

Normenkette

BGB §§ 765, 768

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 6 O 291/02)

 

Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Beklagten und ihrem Streithelfer wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 18.6.2004.

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern vom 12.9.1996, GA 22, in Anspruch. Mit der Firma G. hatte der Kläger am 12.4.1995 einen Bauvertrag über ein Wohn- und Geschäftshaus abgeschlossen.

§ 4 dieses Vertrages lautet

"Sicherheitsleistung

Der AN stellt dem AG eine Erfüllungsgarantie in Form einer Bankbürgschaft i.H.v. 140.000 DM, die bei Abnahme zurückgegeben wird.

Der AN stellt dem AG eine Gewährleistungsbürgschaft (nach VOB/B § 17) i.H.v. 70.000 DM zur Verfügung. Gegen diese Bürgschaft wird Zug um Zug die letzte Rate an den AN ausgezahlt und die Erfüllungsbürgschaft zurückgegeben." (GA 6)

Es kam zur Durchführung von Beweissicherungsverfahren.

Der Kläger hat dazu vorgetragen, die Bauunternehmerin habe am 16.9.1996 56.990 DM als "letzte Rate" angefordert und dies auch so bezeichnet (GA 117). Daraufhin habe er 70.000 DM mit dem Verwendungszweck Sicherheitsablöse geleistet (vgl. Schreiben des Rechtsanwalts B. v. 19.9.1996, GA 119). Es bestünden sonst keine Forderungen der Hauptschuldnerin mehr.

Auch sei die Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern im vorliegenden Fall nicht rechtsmissbräuchlich. Die Bürgschaft des vorliegenden Inhalts sei zwischen den Parteien so abgesprochen gewesen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.790,43 Euro nebst Zinsen von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit 13.9.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, bereits im Erstprozess sei die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern unzulässig, wenn nach dem Inhalt des Vertrages mit dem Hauptschuldner kein Anspruch auf eine solche Sicherheit bestehe, sofern sich die Berechtigung dieses Einwandes aus dem Inhalt der Vertragsurkunden ohne weiteres, wie hier, ergebe. Es bestehe immer noch ein Restzahlungsanspruch i.H.v. 118.591,69 DM. Darüber hinaus sei eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zwischen dem Kläger und der Hauptschuldnerin überhaupt nicht vereinbart worden.

Das LG hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 35.790,43 Euro nebst Zinsen von über 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 13.9.2002 zu zahlen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils die Klage abzuweisen. Der Streithelfer schließt sich diesem Antrag an.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II. Das LG hat zu Recht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 35.790,43 Euro nebst Zinsen zu zahlen.

1. Der Kläger hat einen Anspruch aus § 765 BGB auf Zahlung der ausgeurteilten Summe. Die Beklagte kann dem nicht mit dem Einwand entgegentreten, dem Kläger stünde nach dem Bauvertrag keine Bürgschaft auf erstes Anfordern, sondern nur eine Gewährleistungsbürgschaft zu und die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sei wegen Ausnutzung einer formalen Rechtsposition rechtsmissbräuchlich.

a) Der aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern Verpflichtete kann seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft Einwendungen aus dem Verhältnis des Gläubigers zum Hauptschuldner nach ständiger Rechtsprechung nur entgegensetzen, wenn der Gläubiger seine formale Rechtsstellung offensichtlich missbraucht. Das ist nur dann der Fall, wenn es offen auf der Hand liegt oder zumindest liquide beweisbar ist, dass der materielle Bürgschaftsfall nicht eingetreten ist. Alle Streitfragen, deren Beantwortung sich nicht ohne weiteres ergibt, sind nicht im Erstprozess, sondern im Rückforderungsprozess auszutragen (BGH v. 10.2.2000 - IX ZR 397/98, BGHZ 143, 381 [383] = MDR 2000, 1085 = MDR 2000, 654 = NJW 2000, 1563; v. 10.5.2001 - III ZR 111/99 = BGHZ 147, 381 [383] = MDR 2001, 1053 = BGHReport 2001, 591 = NJW 2001, 1857; v. 5.3.2002 - XI ZR 113/01, MDR 2002, 653 = NJW 2002, 1493). Diese Grundsätze finden nicht nur auf Einwendungen gegen die Hauptforderung Anwendung, sondern auch dann, wenn der Bürge geltend macht, der Gläubiger sei im Verhältnis zum Hauptschuldner verpflichtet, von der Bürgschaft keinen Gebrauch zu machen (BGH v. 10.2.2000 - IX ZR 397/98, BGHZ 143, 381 [384] = MDR 2000, 1085 = MDR 2000, 654 = NJW 2000, 1563; v. 8.3.2001 - IX ZR 236/00, BGHZ 147, 99 [102 f.] = MDR 2001, 1003 = BGHReport 2001, 401 = NJW 2001, 1857; v. 24.1.2002 - IX ZR 204/00, BGHReport 2002, 470 = MDR 2002, 5...

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