Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes: Obliegenheit des barunterhaltspflichtigen Elternteils zur Aufgabe einer unrentablen selbständigen Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Der barunterhaltspflichtige Elternteil kann sich ggü. dem minderjährigen Kind nicht darauf berufen, eine völlig unwirtschaftliche selbständige Tätigkeit zu seinen Lasten fortsetzen zu wollen. Er hat vielmehr die selbständige Tätigkeit aufzugeben und eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen oder neben der selbständigen Tätigkeit eine zusätzliche (Neben-)Tätigkeit aufzunehmen, um den Mindestunterhalt sicherzustellen (Rz. 7).
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1, 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Westerburg (Beschluss vom 10.03.2009; Aktenzeichen 41 F 832/08) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Westerburg vom 10.3.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.
Das AG ist nach dem bisherigen Vorbringen der Beklagten zutreffend davon ausgegangen, dass diese verpflichtet und in der Lage ist, den Mindestkindesunterhalt für den minderjährigen Sohn der Parteien - R ... - zu zahlen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
Grundsätzlich schulden beide Elternteile ihren Kindern Unterhalt, wobei der nicht betreuende Elternteil dem minderjährigen Kind Barunterhalt zu zahlen hat. Wird - wie hier - lediglich der Mindestunterhalt verlangt, ist der Elternteil regelmäßig als leistungsfähig anzusehen, wenn nicht besondere Umstände die fehlende oder nur eingeschränkte Leistungsfähigkeit trotz Ausnutzung aller Möglichkeiten erklärlich machen. Dies ist hier nicht der Fall.
Aus dem Vorbringen der Beklagten und den zu den Akten gereichten Unterlagen lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob sie trotz hohem Arbeitseinsatz einer nicht einträglichen selbständigen Beschäftigung nachgeht oder tatsächlich mehr verdient als angegeben.
Die Beklagte ist seit sieben Jahren selbständig tätig und unterhält zusammen mit ihrer Mutter (in Gesellschaft bürgerlichen Rechts) ein Sonnenstudio. Nach eigenen Angaben arbeitet sie von Montag bis Freitag jeweils 9 Stunden und samstags jeweils 7,5 Stunden, wobei es sich um die reine Arbeitszeit handeln soll und die Mittagspause (12.15 Uhr bis 13.45 Uhr) nicht mitgerechnet wurde. Dies entspricht einer Erwerbstätigkeit von rund 246 Stunden/Monat, wenn täglich nur etwa 45 Minuten Mittagspause einbezogen werden und ihre zusätzliche Anwesenheit an Sonntagen außer Betracht bleibt. Diesem erheblichen Arbeitsumfang, der eine abhängige vollschichtige Erwerbstätigkeit weit übersteigt, steht aber nur ein geringes Einkommen gegenüber. Die Beklagte verdient (als Angestellte der GbR) seit Januar 2008 nämlich nur 601,47 EUR netto im Monat; in den Vorjahren bezog sie ein geringeres Gehalt. Der daneben auf sie entfallende Anteil am Jahres gewinn belief sich auf 208,56 EUR im Jahr 2006 und 698,94 EUR im Jahr 2007. Im Jahr 2005 hat die Gesellschaft einen Verlust erwirtschaftet. Insgesamt beläuft sich der bisher höchste Verdienst aus der selbständigen Tätigkeit damit auf rund 660 EUR monatlich, wovon die Beklagte Beiträge für eine Lebensversicherung (54,84 EUR) und eine Zahnzusatzversicherung (7,22 EUR) zahlt, so dass für den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Wohnkosten weniger als 600 EUR zur Verfügung stehen. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die immerhin seit sieben Jahren betriebene selbständige Tätigkeit entweder nicht lukrativ ist, weil das Einkommen in keinem Verhältnis zu dem Arbeitsaufwand steht und es sich insoweit als "Liebhaberei" darstellt oder aber tatsächlich höhere Einkünfte erzielt werden. Die Beklagte beruft sich ggü. dem Kläger nämlich darauf, dass sie die selbständige Tätigkeit nicht aufgeben müsse, weil der - bis Sommer 2008 bei ihr lebende - Sohn hiervon in erheblichem Maße mitversorgt worden sei, von ihrer selbständigen Tätigkeit profitiert habe und der Betrieb immer dazu geführt habe, dass sie gut leben könne. Dies ist angesichts eines nach Abzug der Wohnkosten (von ihr angegeben mit 391 EUR) zur Verfügung stehenden Monatseinkommens von höchstens 200 EUR nicht nachvollziehbar.
Es ist deshalb derzeit davon auszugehen, dass sie über ausreichendes Einkommen verfügt und aus diesem Grund auch keine Übergangszeit benötigt, um sich nach dem Wechsel des Sohnes in den Haushalt des Kindesvaters auf die Unterhaltsverpflichtung einstellen zu können.
Sollte die Beklagte tatsächlich nur das angegebene geringe Einkommen haben, kann sie sich ggü. ihrem minderjährigen Kind nicht darauf berufen, eine völlig unwirtschaftliche Tätigkeit zu seinen Lasten fortsetzen zu wollen. Es steht ihr frei, dann entweder aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auszusteigen und eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen oder mit ihrer mittags im Sonnenstudio anwesenden Mutter eine Regelung zu treffen, die ihr die Aufnahme einer zusätzlichen (Neben-)Tätigkeit ermöglicht, um den Mindestunterhalt ...