Leitsatz (amtlich)
Zur Arzthaftung, wenn ein Gynäkologe bei einer Patientin, die sich über eine Zeitspanne von 18 Monaten wiederholt mit vermeintlich auffälligem Tastbefund der Brust vorstellt, lediglich eine Palpation vornimmt und davon absieht, eine Mammografie oder sonstige diagnostische Maßnahmen zu veranlassen.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 276, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 12.02.2014; Aktenzeichen 10 O 192/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 12.2.2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Dieses Urteil und der hiesige Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht von der Gegenseite Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags gestellt wird.
Der Rechtsmittelstreitwert beträgt 50.000 EUR.
Gründe
Die Entscheidung ergeht gem. §§ 522 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Ihre sachlichen Grundlagen ergeben sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils und dem Senatsbeschluss vom 11.6.2014. Dort hat der Senat mitgeteilt:
"1. Die Klägerin befand sich in der gynäkologischen Behandlung des Beklagten. Dieser erstellte am 30.6.2009 die Verdachtdiagnose eines rechtsseitigen Mammakarzinoms, die nachfolgend radiologisch und histologisch bestätigt wurde. Daraufhin wurde eine Ablatio erforderlich, der sich eine Chemotherapie und eine Strahlenbehandlung anschlossen.
Nach dem Vorbringen der Klägerin hätte der Beklagte weit früher zu seinem Befund gelangen können und müssen, so dass die Brust noch zu retten gewesen wäre. Er habe die Dinge langfristig verharmlost und dabei eine ausreichend breite Diagnostik versäumt.
Die Klägerin hatte den Beklagten mehrfach wegen Brustproblemen konsultiert. Ihrem schriftsätzlichen Vortrag zufolge war dies vor dem 30.6.2009 sechsmal, nämlich im Januar oder Februar 2008, im April oder Mai 2008, im Sommer 2008, im Oktober 2008, im Februar 2009 und am 8.5.2009 geschehen. Demgegenüber hatte es nach dem auf die Praxisdokumentation gestützten Angaben des Beklagten nur vier Besuche - am 8.11.2007, am 13.6.2008, am 20.2.2009 und am 8.5.2009 - gegeben, ohne dass es dabei stets um eine Brustsymptomatik gegangen sei. Die Zahl von lediglich vier Terminen ist dann auch von der Klägerin im Rahmen einer persönlichen Anhörung genannt worden.
Folgt man der Klägerin, wurde sie jeweils mit dem Hinweis vorstellig, in der rechten Brust eine Geschwulst gefühlt zu haben. Der Beklagte habe dann jedoch seinerseits stets fälschlich einen negativen Tastbefund erhoben und daraufhin nichts weiter mit Blick auf ein mögliches Karzinom unternommen. Nach der Darstellung des Beklagten war bei den Untersuchungsterminen vor dem 30.6.2009 keine relevante ertastbare Geschwulst vorhanden. Davon habe er sich am 8.11.2007, am 13.6.2008 und am 20.2.2009 überzeugt; am 8.5.2009 habe keine Veranlassung zu einer entsprechenden Kontrolle bestanden, weil die Klägerin ausschließlich mit Problemen in ihrem Zyklus vorstellig geworden sei. Aus seiner Sicht wäre das Karzinom auch durch zusätzliche diagnostische Maßnahmen seinerzeit nicht aufzuspüren gewesen. Selbst wenn dies möglich gewesen wäre, hätte sich die Ablatio nicht vermeiden lassen.
Das LG hat das Verlangen der Klägerin, den Beklagten zu einer Schmerzensgeldzahlung von mindestens 40.000 EUR zu verurteilen und dessen weiter gehende Haftung festzustellen, nach der Anhörung der Parteien und der Erhebung von Sachverständigenbeweis abgewiesen. Der Beklagte habe, indem er sich wiederkehrend auf eine palpatorische Befunderhebung beschränkt habe, ärztlich vertretbar gehandelt. Die Klägerin sei keine besondere Krebsrisikopatientin gewesen, und ihre subjektive Beurteilung der Verhältnisse habe keine maßgebliche Indikation für ein Karzinom dargestellt.
Das greift die Klägerin in Erneuerung ihres Verlangens mit der Berufung an. Sie hält den Vorwurf diagnostischer Versäumnisse aufrecht und lastet dem Beklagten dabei ein nach den Gesamtumständen grob fehlerhaftes Verhalten an.
2. Damit vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Es verbleibt bei der erstinstanzlichen Entscheidung; ein Pflichtverstoß des Beklagten ist nicht festzustellen. Das gilt auch, wenn man der mit der Berufung erneuerten, streitigen Sachverhaltsschilderung folgt, es hätten vor dem 30.6.2009 insgesamt sechs Untersuchungstermine stattgefunden, bei denen die Besorgnis der Klägerin im Vordergrund gestanden habe, dass es in ihrer rechten Brust eine pathologische Geschwulst gebe.
Die Klägerin hat nämlich auch vorgetragen, dass der Beklagte durch diese Besorgnis regelmäßig veranlasst worden sei, die Brust abzutasten, um den von ihr geäußerten Verdacht zu verifizieren. Das Prüfungsergebnis war jeweils negativ. Dass das auf einer verfehlten Palpation beruht hätte, macht die Berufung nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich. Allerdings beanstandet die Klägerin, dass es der Beklagte be...