Leitsatz (amtlich)
Gegen die gerichtliche Untätigkeit im selbständigen Beweisverfahren einer Bausache ist in der Regel keine Beschwerde statthaft.
Normenkette
ZPO §§ 485, 567; GG Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 1 OH 23/07) |
Tenor
Die mit Schriftsatz vom 28.4.2008 erhobene Untätigkeitsbeschwerde, die das beim LG Mainz beantragte selbständige Beweisverfahren zwischen den Parteien zum Gegenstand hat, wird kostenpflichtig verworfen.
Gründe
Das Rechtsmittel ist unstatthaft.
Die Antragsteller rügen, dass das LG über ihren unter dem 13.9.2007 verfassten Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nicht entschieden und stattdessen einen Beweisbeschluss im Hauptsacheverfahren erlassen habe, der den Beweissicherungsantrag nicht erschöpfe und der auch nicht zügig ausgeführt werde. Deshalb sei das LG anzuweisen, binnen Frist über die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens hinsichtlich der offen gebliebenen Punkte zu befinden oder zumindest "unverzüglich eine das Verfahren ernsthaft fördernde Maßnahme zu treffen".
Dem kann der Senat im Beschwerdeweg nicht entsprechen. § 567 ZPO lässt eine Beschwerde nur gegenüber Entscheidungen zu. Daher ermöglicht die Vorschrift nicht, gerichtliche Unterlassungen anzugreifen, so dass die zweite Instanz die erste dazu anhalten könnte, in einer bestimmten Weise oder bis zu einem bestimmten Termin tätig zu werden. Die - auf weithin spezifisch familienrechtliche Rechtsprechung (vgl. KG MDR 2005, 455; OLG Jena FamRZ 2003, 1673 f.; OLGReport Karlsruhe 2007, 679 ff.; OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 1290 f.) gestützte - Auffassung der Antragsteller, der vorliegende Fall rechtfertige eine Abweichung von dieser gesetzlichen Vorgabe, überzeugt nicht.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist eine Untätigkeitsbeschwerde allenfalls dann in Erwägung zu ziehen, wenn die Unterlassung des Gerichts auf einem willkürlichen Verhalten beruht und den Tatbestand einer Rechtsverweigerung erfüllt, die den Bereich der richterlichen Unabhängigkeit verlässt (vgl. BGH NJW-RR 1995, 887, 888). Sie muss an ganz ungewöhnliche Verzögerungen oder einer völligen Passivität des Gerichts anknüpfen (OLGReport Rostock 2001, 279). Ein solcher Sachverhalt ist hier nicht zu ersehen. Denn das LG hat sich der von den Antragstellern erstrebten Beweiserhebung keinesfalls gänzlich verschlossen. Wenn es dabei nicht in Übereinstimmung mit den in BGH NJW 2000, 960 f. und BGH NZBau 2007, 98 f. aufgestellten Leitlinien verfahren ist, bedeutet dies nicht, dass es sich von sach- und gesetzesfremden Überlegungen hätte leiten lassen.
Indessen wäre das vorliegende Rechtsmittel selbst unter derartigen Umständen nicht zuzulassen. Auch dann bestünde nämlich kein hinreichender Anlass, den Anwendungsbereich des § 567 ZPO zu erweitern (OLGReport München 2007, 149 f.; ebenso für die entsprechenden Gesetzesregelungen in der Finanzgerichtsbarkeit BFH NV 2002, 364 und in der Sozialgerichtsbarkeit LSG Baden Württemberg Justiz 2004, 255; offen gelassen von BGH NJW 1995, 887, 888). Ein Analogiebedürfnis tut sich nicht auf, weil den Antragstellern im Fall gerichtlicher Willkür die Wege der Richterablehnung und der Dienstaufsichtsbeschwerde eröffnet sind (Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., vor § 567 Rz. 19). Beides ist regelmäßig wirkungsvoller als eine im Beschwerdeverfahren herbeigeführte Entscheidung, die dem untätigen Erstgericht sanktionslos aufgibt, gewisse Aktivitäten zu entfalten.
Der Kostenausspruch beruht auf Nr. 1812 GKG-KV.
Darüber, welche der Parteien letztlich kostentragungspflichtig ist, richtet sich nach dem Ausgang des Hauptsacheprozesses (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 491 Rz. 7 i.V.m. Gummer, a.a.O., § 572 Rz. 47).
Fundstellen
Haufe-Index 1993865 |
BauR 2008, 1038 |
NJW-RR 2008, 974 |
ZAP 2009, 59 |
MDR 2008, 817 |
GuT 2008, 449 |
NZBau 2008, 446 |
PA 2008, 187 |
OLGR-West 2008, 605 |