Verfahrensgang

AG Bad Sobernheim (Entscheidung vom 23.03.2007; Aktenzeichen 9 F 321/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Sobernheim vom 23. März 2007 geändert: Rechtsanwältin S..., wird ihr zu den Bedingungen eines im Bezirk des Amtsgerichts Bad Sobernheim niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 127 Abs.2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Nachdem die uneingeschränkte Beiordnung der beim Amtsgericht Bad Sobernheim nicht zugelassenen und im Gerichtsbezirk nicht ansässigen Rechtsanwältin der Antragstellerin durch Beschluss des Senats vom 8. März 2007 abgelehnt worden war, hat die Antragstellerin anschließend die Beiordnung ihrer Rechtsanwältin zu den Bedingungen eines am Wohnort der Antragstellerin ansässigen Rechtsanwalts verlangt. Rechtsanwältin S... war am benachbarten Amtsgericht Kusel zugelassen. Ihre Kanzlei befindet sich in L... im Gerichtsbezirk Kusel. Der Wohnort M... der Partei liegt ungefähr in der Mitte zwischen Niederlassungs- und Gerichtsort.

Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt mit der Begründung, dass ein auswärtiger Anwalt nur beigeordnet werden könne, wenn anderenfalls ein Verkehrsanwalt wegen besonderer Umstände erforderlich wäre. Diese Voraussetzungen fehlten hier, weil der Partei bei Beauftragung eines Rechtsanwalts am Gerichtsort in etwa der gleiche Aufwand entstünde.

Mit der sofortigen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass die bedürftige Partei nach § 121 Abs. 1 ZPO berechtigt sei, einen Anwalt ihrer Wahl zu beauftragen. § 121 Abs. 3 ZPO schränke diese Wahlfreiheit nicht ein, sondern bestimme nur, dass keine höheren Kosten entstehen dürfen, als wenn die Partei einen beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt beauftragen würde. Dem werde der zuletzt gestellte Antrag auf - eingeschränkte - Beiordnung gerecht.

Der Senat teilt die Auffassung der Antragstellerin, dass eine weitergehende Beschränkung des beizuordnenden auswärtigen Rechtsanwalts nicht (mehr) in Betracht kommt. Die frühere Rechtsprechung zu § 121 Abs. 3 ZPO, die eine Beschränkung auf die Kosten des "ortsansässigen" Rechtsanwalts forderte, obwohl die Vorschrift nicht an die Ortsansässigkeit, sondern an die Zulassung anknüpfte, fand ihre Rechtfertigung darin, dass nach § 126 Abs.1 Satz 2 Halbsatz 1 BRAGO auch der beim Prozessgericht zugelassene, dort aber weder wohnende noch niedergelassene Rechtsanwalt Reisekosten zum Prozessgericht nicht verlangen konnte. Seit dem ersatzlosen Wegfall dieser Vorschrift kann aber der zugelassene Anwalt, der seine Kanzlei im Bezirk hat, ebenfalls Reisekostenersatz verlangen (OLG Oldenburg, NJW 2006,851; Zöller-Philippi, 26.Aufl. § 121 Rz: 13) und gibt es für die synonyme Anknüpfung an die Ortsansässigkeit bzw. Zulassung keinen Grund mehr.

§ 121 Abs. 3 ZPO knüpft in der seit 1.6.2007 geltenden, durch das Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft eingeführten Fassung, mit dem die Abschaffung der Zulassung bei einem bestimmten Gericht erfolgte, nicht mehr an die Zulassung, sondern an die Niederlassung des Rechtsanwalts an.

Danach kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

Der Gesetzgeber hat also ausdrücklich für den Mehrkostenvergleich nur an die Niederlassung im Bezirk des Prozessgerichts und nicht an den Gerichtsort angeknüpft, obwohl bereits seit dem Wegfall der BRAGO und der Geltung des RVG Mehrkosten des zugelassenen, im Bezirk niedergelassenen, aber nicht am Gerichtsort niedergelassenen oder wohnenden Rechtsanwalts zu erwarten waren.

Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig und schon deshalb einer Auslegung nicht zugänglich.

Aber auch wenn eine Auslegung unter Rückgriff auf allgemeine Kostengrundsätze für zulässig gehalten würde, käme eine weitergehende Beschränkung wohl nicht in Betracht.

Nach dem ab 1.6.2007 ebenfalls geänderten § 91 Abs.2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO werden Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts

niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit erstattet, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Das ist dahin auszulegen, dass die Reisekosten und ggf. Abwesenheitsgelder eines auswärtigen Rechtsanwalts, dessen notwendige Beauftragung - wie hier- nicht ausreichend begründet werden konnte - jedenfalls bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines Rechtsanwalts, der am Wohn- oder Geschäftsort der Partei niedergelassen ist, erstattungsfähig sind. Denn die Beauftragung eines Anwalts am Wohnort entspricht regelmäßig der Entscheidung einer vernünftigen und kostenbewussten Partei. Eine vernünftige, kostenbewusste Partei, die Klage im eigenen Gerichtsstand erheben möchte, wird, ungeachtet des Rechts zur freien Wahl des Prozessvertreters, wenn nicht besondere Umstände die Einschaltung eines auswärtigen Anwalts geboten erscheinen...

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