Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Unterschreitung des Abstandes
Leitsatz (redaktionell)
1. Da eine Unterschreitung des Sicherheitsabstandes nur dann eine schuldhafte Pflichtverletzung darstellt, wenn sie nicht nur ganz vorübergehend geschieht, hat das Tatgericht im Falle der Verurteilung Feststellungen zu der vom Betroffenen unter Unterschreitung des Sicherheitsabstandes zurückgelegten Fahrtstrecke zu treffen.
2. In den Urteilsgründen kann nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden, die Einlassung des Betroffenen wiederzugeben und sie auf ihre Richtigkeit zu erörtern.
Verfahrensgang
AG Daun (Entscheidung vom 26.01.2007) |
Gründe
I. Das Amtsgericht Daun verurteilte die Betroffenen wegen "Nichteinhaltung eines Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug von weniger als 4/10 des halben Tachowertes bei einer Geschwindigkeit von 145 km/h" zu einer Geldbuße von 60 EUR und wegen "fahrlässiger Überschreitung der durch Zeichen 274 auf 100 km/h begrenzten Höchstgeschwindigkeit um 53 km/h (nach Abzug von 9 km/h Toleranz) außerhalb geschlossener Ortschaften" zu einer Geldbuße von 150 EUR. Außerdem verhängte es gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verfahrensbeschwerde erhebt und die Verletzung materiellen Rechts rügt.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge einen vorläufigen Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensbeschwerde nicht bedarf.
1. Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
"Am 12. Mai 2006 betrug der Abstand zwischen dem vom Betroffenen geführten PKW und dem vorausfahrenden Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 144 km/h 21,6 m und damit 3/10 des halben Tachowerts (72 m). Der Sachverständige gelangte zu dieser Korrektur der Berechnung des Zeugen H... durch eine exaktere Auswertung der Videoaufzeichnung, indem er den Abstand im Bezug auf einen Wechsel im Fahrbahnbelag an einer anderen Stelle zugrunde gelegt hat, da diese Kante deutlicher wahrzunehmen ist. Da es sich bei dem ProViDa-Messsystem nicht um ein standardisiertes Messverfahren zur Abstandsmessung handelt, hat der Sachverständige der Abstandsberechnung die Verfahrensweise zugrunde gelegt, die bei den standardisierten Abstandsmessverfahren mittels einer stationär auf einer Brücke installierten Messanlage verwendet wird. Während der Zeuge H... den Abstand zwischen dem Heck des vorausfahrenden und der Front des Fahrzeugs des Betroffenen berechnet hat, hat der Sachverständige P... den Abstand zwischen den Vorderachsen der beiden Fahrzeuge zugrunde gelegt, wie dies auch im stationären Messsystem geschieht.
Damit resultiert eine Unterschreitung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes um 3/10, mithin um weniger als 4/10.
Im weiteren Verlauf der Fahrt hat der Betroffene sodann, wie aus der ProViDa-Aufzeichnung hervorgeht, in dem Streckenabschnitt in der Gemarkung S... (A .. in Fahrtrichtung K...), wo die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt ist, sein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 153 km/h geführt.
Dem Betroffenen ist damit eine Unterschreitung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes um weniger als 4/10 des halben Tachowerts bei einer Geschwindigkeit von 144 km/h sowie eine tatmehrheitlich dazu begangene Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 53 km/h zur Last zu legen. Dabei ist von fahrlässiger Begehungsweise auszugehen, da zugunsten des Betroffenen nicht ausgeschlossen werden kann, dass er infolge Unachtsamkeit das vor dem Verstoß erstmals aufgestellte Zeichen 274 (100 km/h) übersehen haben kann. Eine gesonderte Verhängung eines Bußgeldes wegen Telefonierens während der Fahrt unterbleibt, da insoweit Tateinheit mit der Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegt."
2. Das angefochtene Urteil leidet an wesentlichen Darstellungsmängeln, die eine rechtliche Überprüfung des Sachverhalts nicht erlauben. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 27. Juni 2007 hierzu ausgeführt:
"Zu der dem Betroffenen vorgeworfenen Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstands hat das Amtsgericht lediglich folgendes festgestellt:
"Am 12. Mai 2006 betrug der Abstand zwischen dem vom Betroffenen geführten Pkw und dem voraus fahrenden Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 144 km/h 21.6 m und damit 3/10 des halben Tachowerts (72 m)."
Dies stellt - selbst unter Heranziehung des vom Amtsgericht mitgeteilten Inhalts des Bußgeldbescheids - weder eine hinreichende Darstellung des objektiven Tatgeschehens dar, noch lässt es das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Bußgeldtatbestands erkennen. Ob der Betroffene insoweit wegen vorsätzlichen oder lediglich wegen fahrlässigen Verhaltens verurteilt worden ist, ist weder dem Tenor noch den Urteilsgründen zu entnehmen. Auch die Feststellungen des zum objektiven Tatbestand genügen den Anforderungen nicht:
Die Unterschreitung des ...