Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer Schenkung bei Pflegebedürftigkeit des Schenkers
Leitsatz (amtlich)
1. An einem Notbedarf des Schenkers fehlt es, wenn er eine nahe liegende Erwerbsmöglichkeit nicht nutzt.
2. Eine solche Erwerbsmöglichkeit kann sich im Einzel- fall auch aus einer ergänzenden Auslegung des Schenkungsvertrages ergeben (hier: Umwandlung eines Wohnrechts in die Befugnis, die Wohnräume an Dritte zu vermieten).
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 23.10.2003; Aktenzeichen 16 O 373/03) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 23.10.2003 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenpflichtig; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller richtet sich gegen einen Beschluss, durch den das LG Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht versagt hat. Die beabsichtigte Klage soll sich gegen den Sohn der Antragsteller richten.
Die Antragsteller, 1917 und 1919 geboren, schenkten ihrem Sohn 1995 ein Hausgrundstück. Nach § 4 des notariellen Vertrages behielten sie ein lebenslängliches, unentgeltliches Wohn- und Mitbenutzungsrecht an dem übertragenen Grundbesitz. Dieses Recht können sie nicht mehr ausüben, weil sie mittlerweile derart beeinträchtigt sind, dass sie unter Betreuung stehen und in einem Pflegeheim untergebracht werden mussten. Da die Renten – und sonstigen Einkünfte die Pflegekosten nicht decken, wollen sie – durch die Betreuerin vertreten – von ihrem Sohn das Geschenk wegen Notbedarfs (§ 528 Abs. 1 BGB) zurückfordern. Hilfsweise erstreben sie seine Verurteilung zur Zahlung monatlichen Unterhalts bis zur Ausschöpfung des Wertes des Geschenks.
Der Sohn macht fehlende Leistungsfähigkeit geltend, verweist auf eine schwere Erkrankung (Multiple Sklerose) und beruft sich auf eigenen Notbedarf (§ 529 Abs. 2 BGB).
Letzterem ist das LG gefolgt und hat den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde rügen die Antragsteller u.a., das LG habe zu Unrecht den gesamten Vortrag des Beschenkten zu seinem Notbedarf als unstreitig behandelt. Das Vorbringen sei bereits unschlüssig. Gegenüber dem aktuellen Unterhaltsbedarf der Antragsteller müsse der vom LG berücksichtigte künftige Unterhaltsbedarf des Beschenkten zurücktreten.
Das zulässige Rechtsmittel ist i.E. ohne Erfolg.
Es kann dahinstehen, ob das LG zu Recht die Voraussetzungen des § 529 Abs. 2 BGB bejaht hat, was von der Beschwerde mit beachtlichen Erwägungen bezweifelt wird.
Die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrages erweist sich schon deshalb als zutreffend, weil es nach dem bisher unterbreiteten Sachvortrag an den Voraussetzungen des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB fehlt. Danach kann die Herausgabe des Geschenks nur verlangt werden, soweit der Schenker des Gegenstandes für seinen angemessenen Unterhalt bedarf.
Die Herausgabe des Geschenks oder eine seinen Wert ausschöpfende Unterhaltszahlung des Beschenkten ist hier jedoch nicht erforderlich, weil die Antragsteller einen eigenen Vermögenswert, nämlich das im Schenkungsvertrag vorbehaltene Wohnrecht an dem Hausgrundstück, für ihren Unterhalt einsetzen können und müssen. Das ergibt sich aus einer ergänzenden Auslegung des Schenkungsvertrages vom 6.10.1995 (§§ 133,157 BGB) und dem hierzu im Prozesskostenhilfeverfahren unterbreiteten Sachvortrag der Vertragsparteien. Danach gingen sie 1995 übereinstimmend davon aus, dass die Eltern das Wohnhaus trotz der schenkweisen Übertragung auf den Sohn lebenslänglich wie bisher nutzen konnten und nutzen würden. Damit steht in Einklang, dass die Antragsteller seinerzeit allein in dem Haus wohnten, während der Antragsgegner schon damals eine eigene Wohnung andernorts in M. hatte. Durch den Schenkungsvertrag sollte sich daran nichts ändern.
Nach dem weiteren Parteivortrag hat 1995 niemand bedacht, dass die Eltern pflegebedürftig werden und daher das Wohnrecht nicht mehr ausüben könnten. Da das Wohnrecht andererseits erst mit dem Tod des längstlebenden Elternteils erlischt, ist die Frage ungeregelt geblieben, wem die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit des Hauses zugute kommen soll, wenn die Inhaber des Wohnrechts aus gesundheitlichen Gründen an der weiteren Eigennutzung gehindert sind.
Damit ist eine Frage ungeregelt geblieben, die der Regelung bedurft hätte und von den Vertragsparteien auch geregelt worden wäre, wenn sie das Problem seinerzeit bedacht hätten.
Für die somit gebotene ergänzende Auslegung muss der Vertrag unter Berücksichtigung der damaligen beiderseitigen Interessen „zu Ende gedacht” und dementsprechend vervollständigt werden:
Dabei kann zunächst nicht davon ausgegangen werden, der beschenkte Sohn habe in diesem Fall seinen Eltern vertraglich Unterhalt geschuldet (vgl. zu einem derartigen Fall BGH, Beschl. v. 21.11.2002 – V ZB 40/02, BGHReport 2003, 407 = MDR 2003, 477 [478] = NJW 2003, 1126 [1127] = FamRZ 2003, 671 [672] = WM 2003, 1827 [1828]).
Denn der Sohn war bereits 19...