Leitsatz (amtlich)

Zur - hier nicht gegebenen - internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Scheidung einer Ehe von Asylbewerbern.

 

Normenkette

EuEheVO Art. 3; FamFG § 98

 

Verfahrensgang

AG Mayen

 

Gründe

Die nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist auch sonst zulässig, insbesondere gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 3, 567 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg, da das Familiengericht die für das beabsichtigte Ehescheidungsverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe zu Recht mangels Erfolgsaussichten versagt hat.

1. Die Beteiligten sind Staatsangehörige der Republik Kosovo und haben dort am 12.12.2014 die Ehe geschlossen. Unmittelbar im Anschluss daran reisten sie nach Deutschland, um hier um Asyl nachzusuchen. Diese entsprechenden Gesuche sind mittlerweile abgelehnt worden. Die Ehegatten leben seit Januar 2015, also rund einen Monat nach Eheschließung, in einer gemeinsamen Wohnung getrennt. Die Antragsgegnerin hat der Ehescheidung zugestimmt; sie will zurück in den Kosovo und ihre aufenthaltsrechtliche Duldung in Deutschland ist bis zum 07.01.2016 befristet. Gegenüber dem Antragsteller sollen noch keine aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen ergriffen worden sein. Er hat vor kurzem eine deutsche Frau kennengelernt und möchte diese schnellstmöglich heiraten. Die vier Kinder dieser Frau würden bereits "Papa" zu ihm sagen.

Das Familiengericht hat die für das beabsichtigte Ehescheidungsverfahren beantragte Verfahrenskostenhilfe zunächst mangels Ablaufs des Trennungsjahres versagt. Nachdem dieses nun (bald) abgelaufen war, hat es auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte als nicht gegeben angesehen und dem Rechtsmittel mit dieser Begründung nicht abgeholfen.

2. Die Entscheidung des Familiengerichts ist zutreffend.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichts bestimmt sich vorliegend nach Art. 3 EuEheVO und ergänzend nach § 98 FamFG. Der hier danach erforderliche Anknüpfungspunkt des "gewöhnlichen Aufenthalts" in Deutschland ist bei keinem der Ehegatten gegeben.

Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person ist der tatsächliche Mittelpunkt des Lebens, an dem sich die Person überwiegend aufhält; er unterscheidet sich zum einen vom schlichten Aufenthaltsort und zum anderen vom (gemeldeten) Wohnsitz i.S.d. §§ 7 ff. BGB. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist somit faktisch und nicht rechtlich geprägt. Im Rahmen von Art. 3 EuEheVO ist er zudem autonom auszulegen (vgl. Musielak/Borth/Grandel FamFG 5. Aufl. 2015 § 122 Rn. 5; Johannsen/Henrich Familienrecht 5. Aufl. 2010 § 98 FamFG Rn. 15 ff. und Zöller/Geimer ZPO 31. Aufl. 2016 Art. 3 EuEheVO Rn. 15).

Grundsätzlich kann auch ein Asylsuchender in der Bundesrepublik einen gewöhnlichen Aufenthalt im vorgenannten Sinne haben. Zwar wird in anderen rechtlichen Bereichen (z.B. § 30 SGB I) bei einem Asylsuchenden kein gewöhnlicher Aufenthalt angenommen, da der Aufenthalt im Inland nur vorübergehend ist. Hält sich ein Asylsuchender aber schon mehrere Jahre in der Bundesrepublik auf, ohne dass mit einer Abschiebung nicht zu rechnen, ist ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland anzunehmen. Insbesondere kommt es dann nicht auch auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts und die Erfolgsaussichten des Asylantrages an. Denn maßgebend ist in erster Linie die Einbindung in das soziale Umfeld (vgl. Musielak/Borth/Grandel aaO. und Johannsen/Henrich aaO. Rn. 17 sowie OLG Koblenz FamRZ 1990, 536).

Danach haben die beteiligten Eheleute hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland. Sie halten sich erst rund ein Jahr hier auf. Ihre Asylanträge worden abgelehnt, wodurch grundsätzlich mit einer Ausreisepflicht beider zu rechnen ist. Die Antragsgegnerin will nach dem Vortrag des Antragstellers auch zurück in ihre Heimat. Letzterer wiederum hat Gleiches zwar nicht vor, sondern will in Deutschland schnellstmöglich eine neue Ehe eingehen. Allein durch diesen Wunsch ist er jedoch noch nicht sozial in Deutschland integriert. Der Antragsteller scheint dem Wesen einer Ehe nicht die klassische und folglich auf eine enge persönliche und soziale Bindung schließen lassende Bedeutung beizumessen. Von seiner jetzigen Frau erfolgte die Trennung bereits rund einen Monat nach Eheschließung; seine neue Freundin, die er alsbald heiraten möchte, kennt er erst seit wenigen Monaten und wohnt noch nicht einmal mit ihr zusammen. Auch dass die vier Kinder dieser Frau ihn bereits mit "Papa" ansprechen, ändert hieran nichts - und erscheint, wie das Familiengericht zutreffend ausführt, jedenfalls bei den drei sieben bis neun Jahre alten Kindern eher unter Kindeswohlgesichtspunkten hinterfragungswürdig.

Nachdem nicht ersichtlich ist, dass eine Scheidung im Kosovo nicht zeitnah durchgeführt werden kann, hat das Familiengericht auch eine eventuelle Notzuständigkeit der deutschen Gerichte zutreffend verneint.

 

Fundstellen

Haufe...

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