Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Einlegung einer Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle gemäß § 118 Abs. 2 StVollzG muss der als Urkundsbeamter tätige Rechtspfleger die ihm vorgetragenen Anträge auf Form und Inhalt prüfen und zulässigen Anträgen einen angemessenen und klaren Ausdruck geben. Er ist weder Werkzeug des Strafgefangenen noch dessen Briefannahmestelle; eine vorgefertigte schriftliche Begründung des Strafgefangenen darf er deshalb nur dann zugrunde legen, wenn er deren Form und Inhalt geprüft ha und hierfür die volle Verantwortung übernimmt.
2. Ein Versagungsgrund für die Überlassung eines Gegenstands an einen Strafgefangenen gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ist schon dann gegeben, wenn dieser generell-abstrakt geeignet ist, die Sicherheit und Ordnung der Anstalt oder die Vollzugsziele zu gefährden, und diese Gefährdung nur mit einem der Anstalt nicht mehr zumutbaren Kontrollaufwand ausgeschlossen werden könnte.
3. § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ist nicht verletzt, wenn die Strafvollzugsanstalt den Bezug und Besitz von DVDs oder anderen Trägermedien für Spielfilme oder Computerspiele davon abhängig macht, dass diese durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) gekennzeichnet sind.
4. Es ist sachgerecht und verhältnismäßig, wenn die Strafvollzugsanstalt die Überlassung mit "FSK 18" bzw. "keine Jugendfreigabe" gekennzeichneter Filme oder sonstiger Medien an Strafgefangene pauschal versagt, auch wenn darunter im Einzelfall Medien fallen können, die keinen gewaltverherrlichenden oder anderweit für die Vollzugsziele bedenklichen Inhalt aufweisen.
5. Die Frage, ob Überlassung und Besitz eines Gegenstandes die in § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG genannten Rechtsgüter gefährdet, hängt in erster Linie von den Umständen des Einzelfalles ab und ist deswegen überwiegend tatsächlicher Natur; einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 2 GVG bedarf es insoweit nicht.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 01.10.2010; Aktenzeichen 7 StVK 252/10) |
Tenor
Der Antrag des Strafgefangenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 1. Oktober 2010 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Der Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Strafgefangene beantragte am 10. Mai 2010 die Beschaffung und Überlassung einer DVD mit dem Spielfilm "Shoot‚Em Up". Dieser in einer Fernsehzeitschrift als "Actiongroteske" bezeichnete Film ist von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) mit der Kennzeichnung "FSK 18" versehen; er wurde am 9. Mai 2010 um 23.00 Uhr im Fernsehen auf dem Sender Pro 7 ausgestrahlt. Die Justizvollzugsanstalt D. lehnte die Beschaffung und Überlassung einer entsprechenden Film-DVD am 12. Mai 2010 unter Hinweis auf ihre Allgemeinverfügung bezüglich des Erwerbs und Besitzes von Elektrogeräten, Spielen, DVDs und CDs ab; danach sind Medien mit sexistischem oder gewaltverherrlichendem Inhalt sowie Medien mit der Kennzeichnung "FSK 18" bzw. "keine Jugendfreigabe" nicht zugelassen.
Unter dem 18. Mai 2010 beantragte der Strafgefangene gerichtliche Entscheidung sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 1. Oktober 2010, dem Strafgefangenen zugestellt am 8. Oktober 2010, hat die Strafvollstreckungskammer seine Anträge mit der Begründung abgelehnt, dass die Überlassung von DVDs mit der Kennzeichnung "FSK 18" die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen, die er am 3. November 2010 in der Justizvollzugsanstalt D. zu Protokoll des Rechtspflegers unter Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts eingelegt hat. Seiner zu Protokoll gegebenen Erklärung war ein vierseitiger Schriftsatz beigefügt, der unter dem 8. November 2010 durch weitere fünf Seiten ergänzt wurde.
Das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz hat beantragt, die Rechtsbe-schwerde als unbegründet zurückzuweisen.
II. 1. Die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Satz 1 StVollzG sind gegeben, da es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Der Fall gibt Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung des materiellen Rechts aufzustellen (vgl. Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. 2008, § 116 Rdnr. 2 StVollzG). Die durch den Sachverhalt aufgeworfene Frage, ob in einer Justizvollzugsanstalt Medien bzw. Datenträger mit der Kennzeichnung "FSK 18" an Strafgefangene überlassen werden dürfen oder ob dies die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet, ist verallgemeinerungsfähig und vom Senat bislang noch nicht entschieden worden.
Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig...