Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 30.11.2011; Aktenzeichen 9 OH 18/11) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 30.11.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beschwerdeführer zur Last.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsteller hat beim Landgericht ein selbstständiges Beweisverfahren gegen die Antragsgegnerin eingeleitet, weil er von ihr erbrachte Bauarbeiten für mangelhaft erachtet. Nach der Erwirkung eines Beweisbeschlusses hat der dem Beschwerdeführer den Streit verkündet. Dieser war als Architekt mit der Planung der Bauarbeiten betraut. Der Antragsteller hält ihn insoweit für ersatzpflichtig, falls die Antragsgegnerin mit der Rechtsverteidigung durchdringt, die vorhandenen Mängel seien auf Planungsfehler zurückzuführen.
Daraufhin hat der Beschwerdeführer in einem persönlich erstellten Schriftsatz den Verfahrensbeitritt auf Seiten der Antragsgegnerin erklärt. Das Landgericht hat die Erklärung als unzulässig zurückgewiesen, da sie prozessordnungswidrig nicht von einem Rechtsanwalt abgegeben worden sei. Dagegen richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde.
II. Das fristgemäß eingelegte Rechtsmittel ist in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die - ihrer Natur nach statthafte (BGHZ 134, 190) - Beitrittserklärung vom 17.11.2011 (Eingangsdatum bei Gericht) zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil sie ohne Heranziehung eines anwaltlichen Vertreters abgegeben wurde. Das widersprach § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO; denn die Erklärung betraf ein beim Landgericht anhängiges Verfahren.
Allerdings handelte es sich bei diesem Verfahren um ein selbstständiges Beweisverfahren, das nach § 486 Abs. 4 ZPO zu Protokoll der Geschäftsstelle beantragt werden und deshalb auch dann, wenn es vor dem Landgericht geführt wird, ohne anwaltlichen Beistand angestrengt werden kann (§ 78 Abs. 3 ZPO). Die Freistellung vom Anwaltszwang betrifft jedoch nur die Einleitung des Verfahrens, nicht aber dessen weiteren Betrieb (Senat, OLG-R Koblenz 2007, 953; Herget in Zöller, ZPO, 29. Aufl., vor § 485 Rn. 3; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 78 Rn. 14; von Mettenheim in Münchener Kommentar, ZPO, 3. Aufl., § 78 Rn. 74; Weth in Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 78 Rn. 25) und damit auch nicht die spätere Beteiligung Dritter. Sie ist eine Konzession an das Beweissicherungsinteresse des Antragstellers, das durch etwaige Verzögerungen, die mit der Beauftragung eines Anwalts verbunden sind, beeinträchtigt würde.
Die Auffassung, § 486 Abs. 4 ZPO gelte für bei den Landgerichten anhängige Beweisverfahren auch in deren weiterem Verlauf, mithin gleichermaßen für eine Nebenintervention (OLG Nürnberg NJW 2011, 1613; OLG Stuttgart WuM 2011, 640; vgl. auch OLG-R Celle 2002, 129 und OLG Frankfurt MDR 1999, 1223), hat keine tragfähige Grundlage. Für sie wird angeführt, dass tatsächliche Fragen und nicht Rechtsfragen im Vordergrund stünden, die sich ohne anwaltliche Hilfe klären ließen. Diese praktische Erwägung - die dann freilich nur mit der Einschränkung umgesetzt werden soll, dass es in der mündlichen Verhandlung gleichwohl einer anwaltlichen Vertretung bedürfe - ist jedoch vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen worden.
Das Gesetz gestattet unmittelbare Prozesshandlungen der Partei generell lediglich vor den Amtsgerichten (§§ 496, 78 Abs. 3 ZPO). Vor den Landgerichten lässt es sie dagegen nur sehr begrenzt zu. Dort ist die anwaltliche Vertretung die Regel, und Ausnahmen verlangen eine klare Anordnung. Deshalb ist der Beitritt eines Streitverkündeten vor den Landgerichten aufgrund einer persönlichen Erklärung in Beweisverfahren ebenso wenig möglich, wie er in anderen Verfahren auf diese Weise erfolgen kann (vgl. dazu BGH NJW 1991, 229; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 70 Rn. 1).
Der Kostenausspruch beruht auf Nr. 1812 GKG-KV und § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 S. 1 ZPO). Die Frage, ob eine Nebenintervention in bei den Landgerichten durchgeführten selbstständigen Beweisverfahren durch eine Erklärung der Partei selbst zulässig ist, hat eine über den vorliegenden Einzelfall hinausreichende allgemeine Bedeutung und wird in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung kontrovers beantwortet. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht, soweit zu ersehen, bisher aus.
Beschwerdewert nach Maßgabe des Beweisverfahrenswerts (BGHZ 31, 144): 20.000 EUR
Fundstellen