Verfahrensgang
LG Mainz (Entscheidung vom 26.10.2020) |
Tenor
- Der Beschluss der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Mainz vom 26. Oktober 2020 wird aufgehoben.
- Die Anklage der Staatsanwaltschaft Mainz vom 6. Juni 2020 wird zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Mainz eröffnet.
- Die Entscheidung über die Gerichtsbesetzung in der Hauptverhandlung bleibt der Strafkammer vorbehalten.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Mainz legt dem Angeklagten mit Anklage vom 6. Juni 2020 bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last. Der Angeklagte soll am 12. August 2019 in seiner Wohnung in dem Mehrfamilienhaus ...[Y]-Straße ... in ...[Z] einen Gesamtbestand von 1.571,09 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil zwischen 16,8 und 19,3 Prozent und einem Gesamtwirkstoffgehalt von 253,26 Gramm THC sowie in der Nähe dieser Betäubungsmittel zugriffsbereit eine funktionstüchtige Gasdruckwaffe und einen Teleskopschlagstock aufbewahrt haben. Zumindest die Hälfte der Betäubungsmittel soll zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt gewesen sein, die andere Hälfte sollte dem Eigengebrauch des Angeklagten dienen.
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ergab sich folgender hier relevanter Verfahrensablauf:
Am 12. August 2019 meldete ein Zeuge mittels Notrufs, dass es im 2. Obergeschoss in der ...[Y]-Straße ... in ...[Z] zu einer Schlägerei gekommen und Hilfeschreie zu hören seien. Die dorthin entsandten Polizeibeamten trafen auf den blutenden Angeklagten, dessen Äußerungen zu entnehmen war, dass er in seiner Wohnung von vier Personen unter Einsatz einer Machete angegriffen worden war. In der Wohnung des Angeklagten nahmen die Beamten starken Marihuanageruch wahr, der Angeklagte untersagte ihnen jedoch das Betreten des Schlafzimmers. Anschließend verließen der Angeklagte und die Polizeibeamten die Wohnung, die der Angeklagte von außen verschloss (Bl. 4 d.A.).
Wegen des im Raume stehenden Raubdeliktes riefen die vor Ort befindlichen Polizeibeamten Kollegen des Kriminaldauerdienstes hinzu. Nach deren Eintreffen gestattete der Angeklagte ihnen eine Spurensuche in seiner Wohnung, wobei er jedoch das Schlafzimmer ausdrücklich davon ausnahm. Vor der geschlossenen Wohnungstür stellten auch die Kriminalbeamten einen starken Marihuanageruch fest. Daraufhin kontaktierten sie um 20:30 Uhr die zuständige Staatsanwältin des Bereitschaftsdienstes, die um 20:40 Uhr die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten nach "Sachverhaltsschilderung, insbesondere im Hinblick auf den Betäubungsmittelgeruch" anordnete (so der polizeiliche Vermerk Bl. 5 d.A.). Einen Versuch, den bis 21:00 Uhr eingerichteten richterlichen Bereitschaftsdienst telefonisch zu erreichen, unternahm die Bereitschaftsstaatsanwältin nicht, da sie auf Grund einer im Nachhinein "nicht mehr nachvollziehbaren gedanklichen Fehlleistung zu diesem Zeitpunkt fest davon ausging, dass der Bereitschaftsrichter nicht mehr erreichbar sei" (Bl. 17 d.A.). Welchem konkreten Zweck die Durchsuchung dienen sollte, wurde seitens der Staatsanwältin nicht dokumentiert.
Die Kriminalbeamten setzten den Angeklagten von der angeordneten Durchsuchung in Kenntnis, woraufhin dieser den Beamten den Wohnungsschlüssel aushändigte und äußerte, dass "nun alles zu spät" sei. Er gab an, dass er in seinem Schlafzimmer Marihuana aufbewahre und den Aufbewahrungsort mitteilen wolle. Nunmehr wurde der Angeklagte erstmals als Beschuldigter belehrt, woraufhin er erklärte, trotzdem eine Aussage zum Ablageort der Betäubungsmittel machen zu wollen und den Beamten mitteilte, dass sich das Marihuana in einer Kommode im Schlafzimmer befinde. Weitere Angaben machte er zu diesem Zeitpunkt nicht.
Die Polizeibeamten nahmen von einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten zunächst noch Abstand und der Angeklagte wurde zur Versorgung seiner Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht. Dort wurde er von zwei Kriminalbeamten als Zeuge sowie als Beschuldigter belehrt (Bl. 83 d.A.) und anschließend in die Räumlichkeiten des Kriminaldauerdienstes verbracht, wo er ab 23:19 Uhr vernommen wurde (Bl. 83 ff. d.A.). Zu Beginn dieser Vernehmung wurde er nochmals ausführlich darüber belehrt, dass er zugleich als Zeuge hinsichtlich des Übergriffs auf ihn und als Beschuldigter hinsichtlich eines Betäubungsmitteldeliktes vernommen werde. Der Angeklagte äußerte, die Belehrung verstanden zu haben und hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Tat nur das angeben zu wollen, was er bereits den vor Ort anwesenden Beamten gesagt habe, dass sich nämlich in seinem Schlafzimmer zwei halbvolle Boxen mit "Gras" für seinen Eigenkonsum befänden (Bl. 84 d.A.).
Nach Ende der Vernehmung um 1:26 Uhr begab sich der Angeklagte gemeinsam mit zwei Kriminalbeamten in seine Wohnung, die daraufhin durchsucht wurde (Bl. 7 ff. d.A.). Auf dem Weg dorthin machte der Angeklagte eigenständig weitere Angaben zur Sache und führte aus, dass er in seinem Schlafzimmer in...