Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafhaft und Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht
Leitsatz (amtlich)
Befindet sich der Unterhaltspflichtige in Strafhaft, so kann er sich – wenn ein unterhaltsrechtlicher Bezug der Straftat nicht gegeben ist – nicht bis zum Ende der regulären Strafhaft, sondern nur bis zur Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der Strafe auf Leistungsunfähigkeit berufen.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1603
Verfahrensgang
AG Mayen (Beschluss vom 05.02.2003; Aktenzeichen 8 F 599/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des AG – FamG – Mayen vom 5.2.2003 teilweise abgeändert.
Den Beklagten wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsbestimmung unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, Koblenz, insoweit bewilligt, als sie sich gegen die Abänderung des Teilanerkenntnis- und Schlussurteils des AG Mayen vom 6.7.2000 (8 F 100/99) für die Zeit ab 1.7.2003 wenden.
Im Übrigen wird der Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen.
Die weiter gehende Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
Die nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholung Bezug genommen wird, ist das AG davon ausgegangen, dass die Rechtsverteidigung der Beklagten gegen die Abänderungsklage bezüglich des Kindesunterhalts keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, solange der Kläger aufgrund seiner Strafhaft nur geringfügige Einkünfte erzielt.
Der Kläger ist mit seinem in der Strafhaft erzielten Einkommen nicht in der Lage, den mit dem Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des AG Mayen, Az. 8 F 100/99, vom 6.7.2000 titulierten Kindesunterhaltsanspruch zu zahlen. Er erzielt in monatlich wechselnder Höhe Einkünfte, wobei das Überbrückungsgeld seiner Verfügung entzogen ist, damit unterhaltsrechtlich nicht zur Verfügung steht, und ihm das Hausgeld von maximal 111 Euro monatlich für notwendige Ausgaben des täglichen Lebens während der Strafhaft verbleiben muss (vgl. BGH v. 20.2.2002 – XII ZR 104/00, BGHReport 2002, 587 = FamRZ 2002, 813 [815]). Da seine Leistungsunfähigkeit erst durch die Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung und den damit verbundenen Wegfall seiner Besoldung eingetreten ist, ermöglicht diese spätere Änderung der Verhältnisse eine Abänderung des Unterhaltstitels gem. § 323 Abs. 2 ZPO.
Die Berufung des Klägers auf seine haftbedingte Leistungsunfähigkeit erscheint auch nicht rechtsmissbräuchlich, da die Straftat (hier Brandstiftung des eigenen Wohnhauses) sich nicht gegen die Unterhaltsberechtigten (hier wegen der nur eingeschränkt bewilligten Prozesskostenhilfe allein beklagten Kinder) gerichtet hat. Die Berufung des Unterhaltsverpflichteten auf seine Leistungsunfähigkeit verstößt nur dann gegen Treu und Glauben, wenn das für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächliche Verhalten des Unterhaltspflichtigen sich seinerseits als eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht darstellt, also die Strafhaft auf einem Fehlverhalten beruht, das sich gerade auf die Unterhaltspflicht bezieht. Erforderlich ist, dass der Unterhaltsschuldner die Möglichkeit des Eintritts der Leistungsunfähigkeit als Folge seines Verhaltens erkennt und im Bewusstsein dieser Möglichkeit, wenn auch im Vertrauen auf den Nichteintritt jener Folge handelt, wobei er sich unter grober Missachtung dessen, was jedem einleuchten muss, oder in Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltsgläubiger über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine Leistungsfähigkeit hinwegsetzt (vgl. BGH v. 20.2.2002 – XII ZR 104/00, BGHReport 2002, 587 = FamRZ 2002, 813 [814]). Ein objektiver Unterhaltsbezug der dem Kläger zur Last gelegten Straftat liegt nicht vor und es sind auch keine Tatsachen ersichtlich, die eine unterhaltsbezogene Mutwilligkeit des Klägers begründen könnten. Die Brandstiftung des Wohnhauses diente nach dem Vortrag der Beklagten gerade nicht dazu, die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Klägers zu mindern; vielmehr beabsichtigte der Kläger damit den Erhalt der Versicherungssumme und damit gerade eine Bereicherung. Ob der Kläger diese Bereicherung auch auf Kosten der (hier aus o. genannten Gründen nicht mitverklagten) Kindesmutter erstrebte und er sich dadurch grob ehewidrig verhalten hat, ist vorliegend unerheblich. Denn insoweit stellt das strafbare Verhalten des Klägers keine Verletzung der ihm ggü. seinen Kindern obliegenden Unterhaltspflicht dar, es fehlt somit an dem erforderlichen Unterhaltsbezug der Straftat. Eine Zurechnung fiktiven Einkommens auch bei nicht unterhaltsbezogenem Fehlverhalten des Unterhaltschuldners, mag es gegen den an sich Unterhaltsberechtigten oder ihm nahe stehende Personen gerichtet sein, führt zu einer – im Falle der Strafhaft sogar erneuten – Sanktionierung des Verhaltens und gehört nicht zu den Aufgaben des Unterhaltsrechts (vgl. BGH v. 20....