Entscheidungsstichwort (Thema)

Sittenwidrigkeit einer Stundensatzvereinbarung mit einem Strafverteidiger. Gerichtliche Überprüfung der Stundenansätze

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Stundensatz bis zu 250 EUR in der Vergütungsvereinbarung mit einem Strafverteidiger begegnet keinen Bedenken (gegen OLG Düsseldorf I-24 U 183/05 vom 18. 2. 2010).

2. Ergibt ein Abgleich des anwaltlichen Tätigkeitsnachweises mit den in den Strafakten durch Schriftsätze oder in sonstiger Weise belegten Aktivitäten des Verteidigers, dass der jeweils behauptete Zeitaufwand plausibel erscheint, kann das ausreichen. Gleiches gilt, soweit eine Vergütung für Besprechungen mit dem Gericht, einem zuvor tätig gewordenen anderen Verteidiger oder gar mit dem Mandanten selbst verlangt wird. Pauschales Bestreiten ist insoweit unzureichend (Modifizierung zu BGH IX ZR 18/09 vom 4. 2. 2010).

3. Offen bleibt, ob der Auffassung des BGH zu folgen ist, dass allgemeine Hinweise über Aktenbearbeitung, Literaturrecherche und Telefongespräche "jedenfalls bei wiederholter Verwendung" unzureichend sind.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 18.11.2010; Aktenzeichen 15 O 164/09)

 

Tenor

weist der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz die Beklagte darauf hin,

dass beabsichtigt ist, ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO).

 

Gründe

Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat der Klage mit zutreffender Begründung zu Recht weitgehend stattgegeben. Was die Berufung dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig.

I. Der Beklagten wurde in dem Strafverfahren 2050 Js 70870/04.26 Ls StA Koblenz Untreue in mehreren Fällen zur Last gelegt. Das Wirtschaftsschöffengericht bei dem Amtsgericht Koblenz verurteilte sie am 21. Februar 2007 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten. Anschließend beauftragte sie die klagende Anwaltspartnergesellschaft mit ihrer Verteidigung im Berufungsverfahren. Gestützt auf eine schriftliche Honorarvereinbarung vom 2. April 2007 (Bl. 9 GA) hat die Klägerin die Beklagte für die Vertretung im Berufungsverfahren auf Zahlung eines Honorars von (jetzt noch) 34.584,37 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Das Strafverfahren ist unter Änderung des Schuldspruchs und Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf 1 Jahr und 6 Monate rechtskräftig beendet worden. Die Vollstreckung dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

II. Das Landgericht hat der Honorarklage mit der Begründung stattgegeben, die Vereinbarung vom 2. April 2007 sei weder sittenwidrig (§ 138 BGB) noch sei die Vergütung unangemessen hoch (§ 3 a RVG).

III. Das bekämpft die Berufung ohne Aussicht auf Erfolg. Zutreffend weist die Berufungserwiderung vom 5. März 2010 darauf hin, dass die Rechtsmittelbegründung der Beklagten sich über weite Strecken darauf beschränkt, höchstrichterliche Entscheidungen wiederzugeben und darzulegen, das Landgericht habe diese nicht oder nicht hinreichend beachtet. Damit löst die Berufung sich von den allein entscheidungserheblichen Umständen des vorliegenden Falles, die vom Landgericht richtig gesehen und gewürdigt worden sind. Im Einzelnen:

1. Dass die Beklagte die Honorarvereinbarung in einer Zwangslage unterzeichnete (§ 138 Abs. 2 BGB), hält der Senat für ausgeschlossen. Die Hauptverhandlung erster Instanz lag annähernd 6 Wochen zurück als die Beklagte die Vereinbarung am 2. April 2007 unterschrieb. Sie hatte also genügend Zeit, das Für und Wider eines Anwalts- und Strategiewechsels im Verteidigungskonzept zu erwägen und dabei in ihre Überlegungen auch die Frage einzubeziehen, ob sie trotz der seinerzeit ungewissen Erfolgsaussicht bereit war, die Klägerin zu den von dieser vorgegebenen Konditionen zu beauftragen.

2. Dass andere Umstände, die unter § 138 Abs. 2 BGB subsumiert werden könnten, vorlagen, ist fern liegend. Den Feststellungen zum persönlichen Werdegang der Beklagten in den Strafurteilen erster und zweiter Instanz entnimmt der Senat, dass sie lebenserfahren und geschäftsgewandt ist. Dementsprechend vermag auch die Berufung keine Umstände aufzuzeigen, die auf Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen oder gar eine erhebliche Willensschwäche deuten.

3. Der Stundensatz von (höchstens) 400 € ist nicht sittenwidrig überhöht (§ 138 Abs. 1 BGB).

4. Die der Rechnung zugrunde gelegte Stundenzahl begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Insoweit hat der Senat die vorliegenden, recht umfangreichen Strafakten geprüft und festgestellt, dass Rechtsanwalt Dr. M... sich mehrmals gleichermaßen umfangreich wie qualifiziert für die damalige Angeklagte geäußert hat. Der Inhalt der jeweiligen Schriftsätze ist der Beklagten bekannt; Einzelheiten erübrigen sich daher. Gleicht man Daten und Inhalt der für die damalige Angeklagte eingereichten Schriftsätze mit der Nachweisliste ab, die zur Begründung der Stundenzahl vorgelegt wurde, erscheinen die berechneten Stunden plausibel.

5. Soweit die Berufung in Zweifel zieht, ob das von Rechtsanwalt Dr. M... verfolgte neue Konzept, das nicht mehr auf den vom Verteidiger erster Instanz bean...

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