Leitsatz (amtlich)

1. Vom Vorliegen eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses kann nicht ausgegangen werden, wenn eine spätere Erblasserin einer Vertrauensperson, die in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu ihr steht, EC-Karte nebst PIN übergibt und die von der Vertrauensperson hierdurch erlangte Verfügungsbefugnis ganz erhebliche Vermögenswerte der Erblasserin (mehr als 50.000 EUR Kontoguthaben) umfasst.

2. Verschlechtert sich der Gesundheitszustand der späteren Erblasserin kurz vor deren Tod erheblich und häufen sich gleichzeitig in diesem Zeitraum Barabhebungen von deren Konto, ist die Vertrauensperson, die über die EC-Karte nebst PIN verfügt, darlegungs- und beweisbelastet dafür, welche dieser Abhebungen nicht durch sie erfolgt sind und welche Beträge sie an die spätere Erblasserin weitergegeben hat.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 3 O 193/17)

 

Tenor

1) Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2) Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 02.07.2020.

 

Gründe

Das Landgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung in erkannter Höhe stattgegeben.

Das Landgericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte im Rahmen eines zwischen ihr und Frau E. (im Folgenden die Erblasserin genannt) bestehenden Auftragsverhältnisses vom Konto der Erblasserin im Zeitraum von April 2016 bis zum 18.12.2016 insgesamt 44.600,00 EUR und nach dem Tod der Erblasserin am 18.12.2016 weitere 1.000,00 EUR abgehoben hat. Hinzu kommt eine (unstreitige) Überweisung in Höhe von 5.000,00 EUR welche die Beklagte an sich selbst vorgenommen hat. Von dem Gesamtbetrag von 50.600,00 EUR habe die Beklagte insgesamt 12.850,00 EUR nicht an die Erblasserin herausgegeben, sondern für sich selbst vereinnahmt.

Die von dem Landgericht durchgeführte Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Im Berufungsrechtszug ist das Gericht grundsätzlich nicht mehr umfassend zweite neue Tatsacheninstanz. Hinsichtlich der erstinstanzlich durch Beweiserhebung getroffenen Feststellungen ist die Überprüfung gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich darauf beschränkt, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die Beweiswürdigung erster Instanz ist demnach nur insoweit prüfbar, als konkrete Anhaltspunkte erkennbar sind, insbesondere mit der Berufung schlüssig aufgezeigt werden, die Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen dergestalt begründen, dass sich eine erneute Beweisaufnahme zur Ausräumung dieser Zweifel gebietet. Ein derartiger Fehler des Landgerichts bei der Würdigung der erhobenen Beweise ist nicht dargetan, aber auch ansonsten nicht ersichtlich. Die Beweiswürdigung durch die Einzelrichterin ist umfassend, nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Sie verstößt nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungssätze und ist insgesamt auch nach der eigenen Würdigung des Senats in der Sache zutreffend.

Der Senat teilt zunächst einmal die Auffassung des Landgerichts, dass zwischen der Beklagten und der Erblasserin ein (konkludentes) Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB bestand. Insoweit war von dem Vorliegen eines Rechtsbindungswillens auf Seiten der Beklagten auszugehen. Als Vertrag setzt der Auftrag einen Rechtsbindungswillen voraus, der bei bloßen gesellschaftlichen, konventionellen oder freundschaftlichen Zusagen und schlichten Gefälligkeiten des täglichen Lebens fehlt. Dass zwischen den Parteien von einer Bitte oder einer Gefälligkeit die Rede ist, spricht hingegen nicht notwendig gegen den Rechtsbindungswillen. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles (BGHZ 21, 102). Stehen, dem Beauftragten erkennbar, wesentliche Interessen z. B. erhebliche Vermögenswerte des Auftraggebers auf dem Spiel, lässt dies regelmäßig auf einen Rechtsbindungswillen der Parteien schließen (BGH in NJW 2012, 3366; Palandt/Sprau, BGB, 79. Auflage, § 662, Rn. 4). In diesen Fällen kann dann nicht mehr von dem Vorliegen eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses ausgegangen werden. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass nach diesen Maßstäben zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis bestand. Die Erblasserin stand zu der Beklagten in keinerlei verwandtschaftlichem Verhältnis. Die mit der Übergabe der EC-Karte nebst PIN verbundene konkludente Erteilung der Bankvollmacht umfasste die Verfügungsbefugnis der Beklagten über ganz erhebliche Vermögenswerte der Erblasserin. Gerade in Anbetracht dieser erheblichen Vermögenswerte hatte die Verw...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge