Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten Geiger gegen Nr. 1 des Beschlusses der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Mainz vom 7. Mai 2003 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Gegen den Beschwerdeführer (und 10 weitere Angeklagten) findet seit Anfang März 2003 die Hauptverhandlung vor der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Mainz statt.

Zu den wichtigsten Beweismitteln gehört die Aussage des früheren Mitbeschuldigten G......., der ab 16. Mai 2002 an 26 Tagen polizeilich vernommen wurde. An den beiden ersten Tagen (16. und 17. Mai 2003), als G....... von ihm und anderen Mitgliedern des Motorradclubs H... begangene Straftaten im Überblick schilderte, wurde das Geschehen im Vernehmungsraum mit einer durchgehend (z.B. auch in Vernehmungspausen) laufenden Videokamera auf insgesamt 6 Bändern mit einer Laufzeit von jeweils 1 1/2 Stunden aufgezeichnet.

Spätestens ab 17. Januar 2003 hatten die 23 Verteidiger aller Angeklagten die Möglichkeit, sich die Aufnahmen bei der Staatsanwaltschaft, die geeignete Räumlichkeiten und die notwendigen Geräte zur Verfügung stellte, anzusehen. Davon machten bis Anfang Mai 2003 nur die beiden Verteidiger eines Mitangeklagten Gebrauch. Andere Verteidiger waren der Meinung, diese Verfahrensweise sei unzumutbar (vgl. Bl. 662, 663 Protokollband 4).

Am 16. Hauptverhandlungstag (5. Mai 2003) beantragte der Beschwerdeführer, seinen Verteidigern entweder die Originale oder Kopien der Videoaufnahmen zur Mitnahme zu überlassen. Diesen Antrag hat die Strafkammer mit Nr. 1 ihres Beschlusses vom 7. Mai 2003 (Bl. 696 Protokollband 4) zurückgewiesen und zugleich die von allen Angeklagten beantragte Inaugenscheinnahme in laufender Hauptverhandlung angeordnet (mit der am 24. Hauptverhandlungstag [4. Juni 2003] begonnen wurde).

Mit seiner Beschwerde vom 17. Mai 2003, der die Strafkammer nicht hat abgeholfen hat, strebt der Angeklagte Geiger die Anfertigung von Kopien und deren Überlassung an seine Verteidiger an.

II.

Die Beschwerde ist mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob eine Bild - Ton - Aufzeichnung im Sinne der §§ 58 a, 255 a StPO (oder die bloße Dokumentation des Verlaufs eines Teils einer Vernehmung) vorliegt und ob eine solche als Aktenbestandteil oder amtliches Beweisstück im Sinne des § 147 Abs. 1 StPO anzusehen wäre. Es bedarf auch keiner Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen nur eine nach § 147 Abs. 4 S. 2 StPO unanfechtbare Entscheidung über Modalitäten der Akteneinsicht vorliegt (siehe dazu OLG Stuttgart StV 03, 17).

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht auf jeden Fall § 305 S. 1 StPO entgegen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.7.01, NStZ-RR 01, 374 und Beschl. v. 27.2.03, NStZ-RR 03, 177 unter ausdrücklicher Aufgabe der im Beschl. v. 13.9.01 [StV 01, 611] für den Fall der Verweigerung von Akteneinsicht vor Beginn der Hauptverhandlung vorübergehend vertretenen gegenteiligen Auffassung; a. A. OLG Brandenburg NJW 96, 67).

Das Recht des Verteidigers auf Akteneinsicht und Besichtigung der Beweismittel ist kein Selbstzweck, sondern dient einer - auch durch den Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO geschützten - effektiven Verteidigung des Beschuldigten und der Gewährleistung eines fairen Verfahrens. Jede dieses Recht tangierende Entscheidung (des Vorsitzenden oder eines Kollegialgerichts) kann geeignet sein, den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen, sodass der von § 305 S. 1 StPO vorausgesetzte (und vom OLG Brandenburg vermisste) innere Zusammenhang mit der Urteilsfällung bereits aus diesem Grund besteht (OLG Frankfurt NStZ-RR 01, 374). Auch weil es um die Gewährleistung von Prozessgrundrechten (wie rechtliches Gehör) geht, müssen § 147 StPO betreffende Zwischenentscheidungen spätestens bei der Urteilsberatung auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden (OLG Frankfurt NStZ-RR 96, 238). Außerdem unterliegen sie unter bestimmten Voraussetzungen der revisionsrechtlichen Überprüfung etwa unter dem Gesichtspunkt der Behinderung der Verteidigung. Insgesamt gesehen ist eine Vergleichbarkeit mit den in § 305 S. 2 StPO - nicht abschließend - aufgeführten Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die ausnahmsweise isoliert mit der Beschwerde anfechtbar, nicht gegeben. Es ist einem Angeklagten auch zumutbar abzuwarten, ob sich eine ihm zunächst nachteilig erscheinende Zwischenentscheidung zu § 147 StPO - hier auch vor dem Hintergrund der Inaugenscheinnahme in der Hauptverhandlung - tatsächlich nachteilig auswirkt und gegebenenfalls eine Behinderung der Verteidigung mit einer auf § 338 Nr. 8 StPO gestützten Revision geltend zu machen (siehe auch BVerfG, Beschl. v. 23.6.03 - 2 BvR 892/03).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2579993

StV 2003, 608

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