Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestehen eine Bußgeldregelung auf dem Gebiet des Fahrpersonalrechts
Leitsatz (redaktionell)
War eine Tat in der Zeit zwischen ihrer Begehung und der gerichtlichen Entscheidung einmal nicht mit Geldbuße bedroht, so ist diese Zwischenregelung als mildestes Gesetz anzuwenden und eine Ahndung unzulässig. Noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Lenk- und Ruhezeitverstöße können nach Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 daher nicht mehr geahndet werden, da das Fahrpersonalrecht nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 am 11.04.2007 noch nicht angepasst ist und eine gültige Bußgeldvorschrift zur Zeit nicht besteht.
Verfahrensgang
AG Koblenz (Entscheidung vom 22.02.2007) |
Gründe
I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit Urteil vom 22. Februar 2007 wegen fahrlässiger Tagesruhezeitunterschreitung, vorsätzlicher Tageslenkzeitüberschreitung in Tateinheit mit vorsätzlicher Tagesruhezeitunterschreitung in 2 Fällen und wegen vorsätzlicher Tageslenkzeitüberschreitung in Tateinheit mit fahrlässigem Verstoß gegen §§ 1, 5 Nr. 1 Ferienreiseverordnung wiederum in Tateinheit mit vorsätzlicher Tagesruhezeitunterschreitung in 2 Fällen zu Geldbußen in Höhe von insgesamt 760 EUR verurteilt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Betroffene als Berufskraftfahrer in der Zeit vom 3. Juli bis 8. Juli 2006 einen LKW nebst Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 Tonnen gelenkt. In dieser Zeit soll es mehrfach zu Tageslenkzeitüberschreitungen und Tagesruhezeitunterschreitungen, und damit zu Verstößen gegen das Fahrpersonalgesetz sein.
Anlässlich einer Kontrolle des LKW mit Anhänger am 8. Juli 2006 um 10.10 Uhr durch die Autobahnpolizei W... auf der Autobahn A ... bei Kilometer 368,200 Fahrtrichtung K... sollen die Verstöße gegen das Fahrpersonalrecht festgestellt worden sein. Vor der Kontrolle des Betroffenen am Samstag, dem 8. Juli 2006 um 10.10 Uhr, soll der Betroffene mit der Beförderungseinheit länger als 15 Minuten gefahren sein, ohne das Fahrverbot nach §§ 1, 5 Nr. 1 der Ferienreiseverordnung einzuhalten. Der Betroffene habe bei Antritt der Fahrt an diesem Samstag - so das Amtsgericht - das für seine Beförderungseinheit geltende Fahrverbot nicht beachtet, da er den Vorgaben der Ferienreiseverordnung nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet habe.
Gegen das Urteil hat der Betroffene durch Schriftsatz seines Verteidigers am 23. Februar 2007 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach Zustellung des schriftlichen Urteils am 12. März 2007 mit dem am 7. April 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet. Der Betroffene rügt die Verletzung materiellen Rechts. Mit einem am 18. April 2007 eingegangenen Schriftsatz weist der Betroffene ergänzend darauf hin, dass eine Einstellung des Verfahrens im Hinblick auf die geänderte Gesetzeslage zum Fahrpersonalrecht zu erfolgen habe.
II. Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat überwiegend Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils verbunden mit einer neuen Entscheidung des Beschwerdegerichts (§ 79 Abs. 6 OWiG).
1. Soweit das Amtsgericht den Betroffenen wegen fahrlässiger oder vorsätzlicher Tagesruhezeitunterschreitung und Tageslenkzeitüberschreitung nach §§ 8 Abs. 1 Nr. 2 FPersG, 22 Abs. 1 Nr. 3 FPersV i. V. m. der Verordnung EWG Nr. 3820/85 verurteilt hat, war der Betroffene freizusprechen. Die von dem Amtsgericht anwendeten Vorschriften der Art. 6 und 8 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 FPersG können nicht Grundlage für eine Verurteilung des Betroffenen sein. Die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 ist mit Wirkung vom 10. April 2007 aufgehoben und durch die am 11. April 2007 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl.-Nr. L 102 S. 1) ersetzt worden. § 8 FPersG ist bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, auf die es gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 354 a StPO ankommt (Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 4 Rdnr. 9) nicht angepasst worden.
Der vom Amtsgericht festgestellte Verstoß des Betroffenen gegen die Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr war zwar im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung (3. - 8. Juli 1986) bußgeldbewehrt, jedoch nicht im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht.
Eine Ahndung der Taten scheidet nach § 4 Abs. 3 OWiG aus. Nach dieser Vorschrift ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das Gesetz, das bei der Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert worden ist. War die Tat in der Zeit zwischen Begehung und gerichtlicher Entscheidung einmal nicht mit Geldbuße bedroht, so ist diese Zwischenregelung als mildestes Gesetz anzuwenden und eine Ahndung unzulässig (OLG Düsseldorf, VRS 74, 45; OLG Köln, NJW 1988, 657 ff.; OLG Düsseldorf, VRS 74, 202 f.; OLG Hamburg, DAR 1988, 29; OLG Schleswig, SchlHA 1988, 95; OLG Hamburg, Beschluss vom 24.4.2007, 1-11/07 (RB) zitiert nach juris; AG Herford, VRS 73, 78 ff.; Göhler, aaO. zu § 4 Rdn 4 ...