Entscheidungsstichwort (Thema)

Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Festsetzung der Vergütung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 102 Js 11 761/89 jug. – 2 KLs)

 

Tenor

Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Koblenz gegen den Beschluß des Vorsitzenden der 2. Strafkammer – Jugendkammer – des Landgerichts Koblenz vom 10. Mai 1990 wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Gründe

Rechtsanwalt B… wurde am 12. Februar 1990, einem Fortsetzungstermin, dem Verurteilten W… anstelle des plötzlich erkrankten Rechtsanwalts T… beigeordnet. Noch am gleichen Tag wurde er wieder entpflichtet, nachdem Rechtsanwalt T… erschienen war.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat der Vorsitzende der Strafkammer – unter Abänderung der Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 29. März 1990 – die dem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt B… aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 490,20 DM gemäß §§ 83 Abs. 1 Nr. 2, 97 ff., BRAGO festgesetzt.

Der Bezirksrevisor verlangt mit seiner Beschwerde die Aufhebung der Vergütungsfestsetzung insgesamt. Er ist der Auffassung, der nur kurzfristig beigeordnete Rechtsanwalt B… sei in Wahrheit nur als Vertreter des beigeordneten Rechtsanwalts T… tätig geworden mit der Folge, daß ausschließlich dem Vertretenen ein Gebührenanspruch gegen die Staatskasse zustehe.

Die zulässige Beschwerde (§§ 98 Abs. 3 BRAGO, 304 StPO) ist nicht begründet. Der Vorsitzende der Strafkammer ist in dem angefochtenen Beschluß zu Recht davon ausgegangen, daß Rechtsanwalt B… nicht als Vertreter für den ausgebliebenen Rechtsanwalt T…, sondern gemäß § 145 StPO als „anderer” Verteidiger bestellt worden ist.

Grundsätzlich bestimmt sich der Gebührenanspruch aus dem Umfang und der Reichweite der gerichtlichen Bestellung als Verteidiger, wobei der Anspruch lediglich eine wirksame Bestellung voraussetzt, jedoch nicht, daß die Bestellung auch zulässig und zweckmäßig gewesen ist (Fraunholz in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 6. Aufl., § 97 Rdnr. 2; Madert in Gerold/Schmidt, BRAGO, 10. Aufl., § 97 Rdnr. 2). Der Umfang der Bestellung ergibt sich in der Regel aus der Entschließung des Gerichtsvorsitzenden (§ 142 StPO), mit der er den zu bestellenden Verteidiger auswählt (Madert in Gerold/Schmidt, a.a.O.). Daraus folgt, daß die unbeschränkte Bestellung eines Pflichtverteidigers für die Kostenberechnung bindend ist. Vorliegend hat der Kammervorsitzende im angefochtenen Beschluß ausführlich dargelegt, daß er Rechtsanwalt B… nach vorheriger Entpflichtung des Rechtsanwalts T… zum unbeschränkten Pflichtverteidiger des Verurteilten W… nach § 145 StPO bestellt hat. Insoweit ist allein nach der Erklärung des Vorsitzenden aufgrund der wirksamen Bestellung ein selbständiger Gebührenanspruch des Rechtsanwalts B… entstanden. Für eine Auslegung des Geschehens dahingehend, daß Rechtsanwalt B… lediglich als Vertreter für Rechtsanwalt T… aufgetreten ist, bleibt nach der Erklärung des Kammervorsitzenden kein Raum, zumal sich aus den Sachakten eine solche Vertretungstätigkeit auch nicht herleiten läßt. Ausweislich des Protokolls wurde Rechtsanwalt B… „anstelle” des plötzlich erkrankten Rechtsanwalts T… beigeordnet, d.h. nach dessen Entpflichtung. Weiter ist dem Protokoll zu entnehmen, daß Rechtsanwalt T… nach seinem Eintreffen wieder als Pflichtverteidiger förmlich bestellt und Rechtsanwalt B… von dieser Aufgabe ausdrücklich entbunden wurde. Bei einer bloßen Vertretungstätigkeit wäre eine erneute Verpflichtung des Rechtsanwalts T… nicht erforderlich gewesen. Im übrigen ist aus den Sachakten auch nicht ersichtlich, daß Rechtsanwalt T… einen Vertreter im Sinne des § 164 BGB mit der Pflichtverteidigung beauftragen wollte oder daß Rechtsanwalt B… im Namen und in Vollmacht des Rechtsanwalts T… tätig geworden ist und das Gericht einer solchen Vertretung zugestimmt hat. Wenn das Gericht aber bei Ausbleiben eines Pflichtverteidigers nach § 145 StPO einen anderen Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt, entsteht auch für diesen der Gebührenanspruch gegen die Staatskasse für die gesamte Tätigkeit als Pflichtverteidiger.

Der Kammervorsitzende hat zu Recht auch eine Gebühr gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO in Ansatz gebracht. Zwar hatte die Hauptverhandlung schon am 5. Februar 1990 begonnen. Für Rechtsanwalt B… war jedoch der 12. Februar 1990 kein Fortsetzungstermin im Sinne des § 83 Abs. 2 BRAGO, denn er war beim Hauptverhandlungstermin vom 5. Februar 1990 nicht zugegen. Die Frage, ob es sich um den ersten oder um weitere Hauptverhandlungstage im Sinne des § 83 Abs. 2 BRAGO handelt, ist numerisch für jeden Verteidiger besonders zu beantworten. Die Zusatzgebühr des § 83 Abs. 2 BRAGO kann nämlich erst dann entstehen, wenn der Rechtsanwalt zuvor die Gebühr des § 83 Abs. 1 BRAGO verdient hat, d.h. er oder sein Vertreter bereits an einem Hauptverhandlungstermin als Wahl- oder Pflichtverteidiger teilgenommen hat (vgl. OLG Zweibrücken, JurBüro 81, 1029, 1030, OLG Hamburg, JurBüro 86, 1838; Madert in Gerol...

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