Leitsatz (amtlich)
1. Ein Versicherungsnehmer, der nach einer Kollision mit der Leitplanke auf der Autobahn die Unfallörtlichkeit verlässt, anschließend auf einem Rastplatz die Beschädigungen an seinem Auto in Augenschein nimmt und seine Fahrt fortsetzt, ohne die Polizei und/oder seine Kaskoversicherung zu informieren, verletzt die Wartepflicht aus E.1.3 der AKB und verwirklicht den objektiven Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort.
2. Hat der Versicherungsnehmer selbst durch die unterlassene Meldung an den Geschädigten, die Polizei oder auch die Kaskoversicherung eine Situation geschaffen hat, dass nähere Feststellungen insbesondere zur Unfallörtlichkeit im Nachhinein unmöglich werden, sind an die von ihm zu leistende Substantiierung zum Nichtvorliegen eines Schadens erhöhte Anforderungen zu stellen.
3. Entfernt sich der Versicherungsnehmer ohne Mitteilung an die Polizei oder die Kaskoversicherung von der Unfallstelle und holt er eine Mitteilung auch nicht unverzüglich nach, entstehen der Kaskoversicherung konkrete Feststellungsnachteile, da ihr Feststellungen zu einer möglichen Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugführers oder auch dazu, ob der Versicherungsnehmer überhaupt selbst das Fahrzeug gesteuert hat, nicht mehr möglich sind.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 194/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 03. Februar 2020 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28. Dezember 2020.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bestehenden Vollkaskoversicherung in Anspruch. Er ist Halter des Leasingfahrzeugs Mercedes-Benz S 500 L 4MATIC, das er von der Mercedes-Benz Leasing GmbH geleast hat. Der Kläger ist ermächtigt und verpflichtet, alle fahrzeugbezogenen Ansprüche aus einem Schadensfall im eigenen Namen geltend zu machen. Grundlage des Versicherungsvertrags zwischen den Parteien sind die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung der Beklagten mit Stand 01. Mai 2012 (AKB 2012), wegen deren genauen Inhalts auf die Anlage K3 (Bl. 10 ff. d. A.) Bezug genommen wird.
Am 03. Dezember 2016, einem Samstag, befuhr der Kläger gegen 17.30 Uhr mit seinem Fahrzeug die Autobahn A4 Richtung Aachen, als er ohne Fremdeinwirkung bei Tempo 100 km/h mit der linken Leitplanke kollidierte. Am Fahrzeug des Klägers entstanden über die ganze linke Seite Streifspuren, welche der Kläger auf einem Rastplatz nach der Unfallstelle in Augenschein nahm. Die Schadensanzeige des Klägers gegenüber der Beklagten datiert vom 07. Dezember 2016 (Anlage K2, Bl. 8 f d. A.). Nach der von dem Kläger vorgelegten Rechnung über die Fahrzeugreparatur belief sich der Fahrzeugschaden auf 22.217,16 EUR (Anlage K4, Bl. 43 d. A.). Die Beschädigungen am Fahrzeug des Klägers ergeben sich aus der Lichtbildanlage zum Gutachten des TÜV Rheinland (Bl. 95 ff. d. A.).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Beklagte von der Leistungspflicht aus der Vollkaskoversicherung wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung des Klägers gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 VVG i. V. m. E.1.3 S. 2, E.7.1 S. 1 AKB 2012 frei geworden sei. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, der Kläger habe gegen seine Obliegenheit aus E.1.3 S. 2 AKB 2012 verstoßen, indem er nach der Kollision mit der Leitplanke die Örtlichkeit ohne anzuhalten verlassen und erst auf einem weiter entfernten Rastplatz angehalten habe. E.1.3 der AKB 2012 lautet:
"Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Sie haben unsere für die Aufklärung des Schadensereignisses erforderlichen Weisungen zu befolgen".
Darüber hinaus habe der Kläger den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht, da es an nachvollziehbarem Vortrag seinerseits fehle, dass ein nur völlig belangloser Sachschaden an der Leitplanke entstanden sei. Soweit der Kläger behauptet habe, am Folgetag zweimal die Strecke abgefahren zu sein und die Leitplanke kontrolliert zu haben, reiche dies nicht aus, da dabei eine verlässliche Schadensfeststellung nicht möglich gewesen sei. Der Kläger habe auch vorsätzlich gehandelt. Das Gebot, nach einem Verkehrsunfall die Unfallstelle nicht zu verlassen, sei jedem Kraftfahrer bekannt. Indem er weder die Polizei noch die Beklagte informiert h...