Leitsatz (amtlich)
Hat eine Partei hinsichtlich des erstinstanzlichen Urteils zwar keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt, hindert dies jedoch nicht in der Berufungsinstanz abweichend vorzutragen. Eine Zurückweisung des Vortrags wegen Verspätung ist nicht möglich, wenn die andere Partei den neuen Vortrag nicht bestritten hat.
Die hilfsweise Begründung des Klagevortrags stellt dann keine unzulässige Klageänderung dar. Die Klageänderung ist sachdienlich, wenn sich die Klägerin bereits in erster Instanz bezüglich dieses Komplexes eine Klageerweiterung vorbehalten hat.
Normenkette
ZPO §§ 314, 531 Abs. 2 Nr. 3, § 533
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 07.04.2011; Aktenzeichen 3 O 393/10) |
Tenor
Der Senat erwägt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz - Einzelrichterin - vom 07. April 2011 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Den Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 13.07.2012. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG).
Im Einzelnen:
I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 308.019,71 Euro.
Die Beklagte zu 1) ist die Stieftochter der heute 89-jährigen Klägerin; der Beklagte zu 2) ist der Ehemann der Beklagten zu 1) und Stiefschwiegersohn der Klägerin. Die Klägerin unterhielt bei der L. Filiale der U. Bank seit dem Jahr 2000 ein Anlagekonto. Die Parteien unternahmen in der Vergangenheit mehrmals gemeinsame Fahrten in die Schweiz, um die finanziellen Angelegenheiten der Klägerin zu regeln. Die Klägerin hatte am 09.12.2004 unter anderem zugunsten der Beklagten eine notarielle Vorsorgevollmacht errichtet, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (GA 7-10). Die Beklagten nahmen in den folgenden Jahren Verfügungen vom Konto der Klägerin in Höhe von insgesamt 271.464,14 € vor und zwar im Einzelnen wie folgt - 23.11.2005 Abhebung von 106.494,18 Euro (125.000 USD) - 04.04.2006 Abhebung von 83.214,68 € (100.000 USD) - 31.07.2006 Abhebung von 99.584 Schweizer Franken (80.000 USD, insoweit abweichend vom Tatbestand des Landgerichts, das von Eurobeträgen und nicht Schweizer Franken ausgeht) - 16.11.2006 Abhebung von 11.843,66 € (15.000 USD) - 13.12.2007 Abhebung von 6.883,19 € (10.000 USD).
Die Gelder verwendeten die Beklagten für den Bau eines Hauses in Florida. Die Verfügungen selbst wurden der Klägerin im Einzelnen erst bekannt, als sie im 1. Quartal des Jahres 2010 im Rahmen einer steuerrechtlichen Selbstanzeige eine Vermögensübersicht der U.-Filiale in L. anforderte.
Die Beklagten wurden mit Schreiben der Klägervertreter vom 30.04.2010 unter Fristsetzung zum 30.05.2010 zur Erstattung der streitgegenständlichen Geldbeträge aufgefordert.
Die Klägerin hat vorgetragen,
die Verfügungen seien widerrechtlich erfolgt. Sie habe zu keinem Zeitpunkt geäußert, nichts mehr mit dem Geld in der Schweiz zu tun haben zu wollen sowie, dass die Beklagten hierüber frei verfügen könnten und nimmt insoweit Bezug auf ihre als Anlage zum Schriftsatz vom 15.02.2011 zur Akte gereichte persönliche schriftliche Erklärung (GA 59). Für sie habe auch keinerlei Veranlassung bestanden, den Beklagten freie Verfügungsmacht über die streitgegenständlichen Gelder einzuräumen, da sie an den Rollstuhl gebunden und pflegebedürftig sei. Daher sei nicht absehbar, in welchem Umfang sie zukünftig auf Gelder zurückgreifen müsse, um Pflegekosten decken zu können. Die Klägerin ist der Ansicht, die getätigten Verfügungen seien aufgrund der nachrangigen Bevollmächtigung der Beklagten in der notariellen Vorsorgevollmacht vom 09.12.2004 nicht von dieser gedeckt gewesen. Zudem habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten gegenüber Herrn Rechtsanwalt B. mitgeteilt, dass die Forderung gerade anerkannt werde.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 308.019,71 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 3.563,34 Euro freizustellen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben vorgetragen,
die Klägerin habe sich anlässlich der Fahrten in die Schweiz regelmäßig dahingehend geäußert, mit dem Geld in der Schweiz nichts mehr zu tun haben zu wollen; di...