Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretung mehrerer Beklagter durch denselben Anwalt
Leitsatz (amtlich)
Dieselbe Angelegenheit mit bloßer Erhöhung der Prozessgebühr nach § 6 BRAGO liegt nicht vor, wenn ein Rechtsanwalt von 2 Beklagten zunächst nur den ersten vertritt und nach dessen endgültigem Ausscheiden aus dem Rechtsstreit zu einem späteren Zeitpunkt die Vertretung des zweiten Beklagten übernimmt. In einem derartigen Fall erhält der Rechtsanwalt zwei volle Prozessgebühren (Abgrenzung zu OLG Koblenz, Beschl. v. 19.4.1985 – 14 W 203/85, JurBüro 1985, 942; v. 25.5.1999 – 14 W 323/99, NJW–RR 2000, 1369).
Normenkette
BRAGO §§ 6, 13; ZPO §§ 91, 269
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 12.09.2001; Aktenzeichen 5 O 405/00) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 12.9.2001 geändert und wie folgt ergänzt:
Nach dem Urteil des LG Koblenz vom 2.4.2001 werden die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden weiteren Kosten auf 167,62 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26.4.2001 festgesetzt.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens (Wert: 167,62 DM = beantragte 440,80 DM abzüglich festgesetzter 273,18 DM) hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
Neben der zweitbeklagten Bundesrepublik Deutschland hatte die Klägerin ursprünglich den Erstbeklagten, eine natürliche Person, bei dem AG Montabaur auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch genommen.
Für den Erstbeklagten bestellte sich Rechtsanwalt H. und beantragte Klageabweisung.
Die bei dem AG anwaltlich nicht vertretene Bundesrepublik Deutschland verwies auf die sachliche Unzuständigkeit des AG und beantragte Verweisung an das zuständige LG Koblenz.
Daraufhin nahm die Klägerin die Klage gegen den Erstbeklagten zurück. Das AG Montabaur beschloss, dass die Klägerin die Kosten der zurückgenommenen Klage zu tragen habe (§ 269 ZPO). Dementsprechend hat das AG Montabaur die dem Erstbeklagten im amtsgerichtlichen Verfahren entstandenen Anwaltskosten antragsgemäß festgesetzt (Blatt 64/65 GA).
Hinsichtlich der Beklagten zu 2) verwies das AG den Rechtsstreit an das LG Koblenz.
Hier bestellte sich nunmehr Rechtsanwalt H., der bei dem AG den Erstbeklagten vertreten hatte, erstmals für die Bundesrepublik Deutschland. Die Klage wurde sodann auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Im dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Rechtspfleger die im landgerichtlichen Verfahren angefallenen Anwaltskosten um eine 3/10 Prozessgebühr erhöht (§ 6 BRAGO) und sodann den zuvor bei dem AG Montabaur festgesetzten Betrag abgezogen. Zur Begründung hat der Rechtspfleger ausgeführt, Rechtsanwalt H. habe lediglich in derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber vertreten, weshalb sich die Prozessgebühr nur nach § 6 BRAGO um 3/10 erhöhe.
Dagegen wendet sich die Zweitbeklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie meint, es lägen verschiedene Angelegenheiten vor.
Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.
Allerdings kann der Rechtspfleger sich für seine Ansicht, Rechtsanwalt H. habe in derselben Angelegenheit zwei Parteien vertreten, weshalb sich lediglich die Prozessgebühr um 3/10 erhöhe, scheinbar auf die Senatsbeschlüsse vom 19.4.1985 (OLG Koblenz v. 19.4.1985 – 14 W 203/85, JurBüro 1985, 942) und 25.5.1999(OLG Koblenz v. 25.5.1999 – 14 W 323/99, NJW–RR 2000, 1369) stützen.
Indes unterscheidet sich der dortige Streitstoff in einem entscheidenden Punkt von dem vorliegenden Sachverhalt:
In jenen Verfahren ist es zu einem Parteiwechsel auf Beklagtenseite gekommen. Der Auftrag an den Prozessbevollmächtigten der zunächst beklagten Partei endete nicht mit der Parteiänderung auf Beklagtenseite; vielmehr ging der ursprünglich erteilte Auftrag zur Verteidigung gegen die erhobene und weiter anhängige Klage nahtlos über in einen entsprechenden Auftrag des neuen Beklagten. Der zunächst in Anspruch genommene Beklagte schied erst aus, nachdem derselbe Rechtsanwalt durch den weiteren (neuen) Beklagten mandatiert worden war.
Im vorliegenden Fall hatte Rechtsanwalt H. ursprünglich nur einen Auftrag des Erstbeklagten erhalten. Dieser Auftrag war mit der Rücknahme der Klage, dem anschließenden Kostenbeschluss nach § 269 Abs. 3 ZPO und der nachfolgenden Kostenfestsetzung endgültig beendet. Für diese abgeschlossene Angelegenheit hat Rechtsanwalt H. die volle Prozessgebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO verdient.
An diesen ersten und endgültig abgeschlossenen Auftrag schloss sich ein neuer Auftrag an, als die Zweitbeklagte später im Verfahren bei dem LG wegen des dortigen Anwaltszwanges (§ 78 ZPO) erstmals Rechtsanwalt H. beauftragte. Für diesen neuen Auftrag, bei dem es sich wegen der davor liegenden endgültigen Klagerücknahme nicht mehr um dieselbe Angelegenheit (§ 13 Abs. 2 BRAGO) handelte, verdiente Rechtsanwalt H. erneut die volle Prozessgebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO.
Da es sich aus dem dargestellten Grund nicht um die Vertretung mehrerer Parteien „in derselben Angelegenheit” gehandelt hat, ist für die Anwendung des § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO kein Raum. S...