Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der Privatgutachterkosten eines Kfz.-Haftpflichtversicherers bei Verdacht des Versicherungsbetruges
Leitsatz (amtlich)
1. Bestand bei Sicht ex ante ein zureichender Anhalt für einen versuchten Versicherungsbetrug, sind die Kosten eines vom Kfz.-Haftpflichtversicherer eingeholten Privatgutachtens erstattungsfähig, wenn mit einer Klage zu rechnen war.
2. Der Einwand, bei einem derartigen Gutachten habe es sich um ein weitgehend erfolgloses Verteidigungsmittel i.S.v. § 96 ZPO gehandelt, ist im Kostenfestsetzungsverfahren unbeachtlich.
Normenkette
ZPO §§ 91, 96
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 14.11.2007; Aktenzeichen 5 O 411/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kosten-festsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 14.11.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
Der Beschwerdewert beträgt 539,95 EUR = 31,04 % von 1.739,54 EUR.
Gründe
Das fristgemäß eingelegte Rechtsmittel ist in der Sache ohne Erfolg. Der Rechtspfleger hat die von der Beklagten zu 3) geltend gemachten Privatgutachterkosten zu Recht in die Kostenausgleichung einbezogen.
1. Allerdings sind die Kosten eines von einer Partei eingeholten Privatgutachtens nur dann als Prozesskostenerstattungsfähig, wenn das Gutachten prozessbezogen erstellt wurde und überdies zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlich war. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch erfüllt.
a) Das Gutachten war, obgleich es schon vor Klageerhebung in Auftrag gegeben wurde, prozessbezogen, weil es erst danach gefertigt wurde (BGH NJW 2003, 1398, 1399). Seine Prozessbezogenheit wäre schon zu bejahen gewesen, wenn im Zeitpunkt seiner Erstellung eine bloße Klageandrohung vorgelegen hätte (BGH NJW 2006, 2415, 2416).
b) Außerdem war es zur Rechtsverteidigung der Beklagten zu 3) notwendig, das Gutachten einzuholen. Darauf deutet bereits hin, dass sich die Beklagte zu 3) sowohl in ihrer Klageerwiderungsschrift als auch in ihrem Folgeschriftsatz auf die Erwägungen gestützt hat, die der Privatgutachter zum Unfallhergang angestellt hatte, und dann eine gerichtliche Beweiserhebung über den Geschehensablauf angeordnet wurde. Darüber hinaus ist zu sehen:
Die Beklagte zu 3) hatte als Haftpflichtversicherer Bedenken ggü. der Unfallschilderung der Klägerin und der Höhe des von ihr geltend gemachten Schadens. Dass diese Bedenken nicht von der Hand zu weisen waren, belegen die urteilsvorbereitenden Ausführungen des LG. Darin heißt es, dass "verschiedene von der Beklagten zu 3) aufgezeigten Umstände für einen fingierten Unfall sprechen könnten" und dass "sich die Klägerin Absetzungen bei der Höhe gefallen lassen" müsse. Kam aber ein Versicherungsbetrug in Betracht, durfte sich die Beklagte zu 3) grundsätzlich sachverständiger Hilfe bedienen, um im Rechtsstreit vorzutragen, und brauchte sich nicht darauf verweisen zu lassen, eine gerichtliche Beweiserhebung abzuwarten (BGH NJW 2006, 2415, 2416).
2. Der Einwand der Klägerin, die Erstattungsfähigkeit der Privatgutachterkosten scheitere jedenfalls an § 96 ZPO, weil die Rechtsverteidigung der Beklagten zu 3) am Ende im Wesentlichen erfolglos gewesen sei, geht fehl. Dabei kann offen bleiben, ob das streitige Privatgutachten überhaupt als Verteidigungsmittel im Sinne der Vorschrift verstanden werden kann (vgl. dazu Giebel in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 96 Rz. 3; Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 96 Rz. 1). Über die etwaige Anwendung des § 96 ZPO ist nämlich nicht im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu befinden. Dies hätte vielmehr, wie der Rechtspfleger zu-treffend bemerkt hat, bei der Entscheidung der Hauptsache durch das Prozessgericht geschehen müssen (Giebel, a.a.O., § 96 Rz. 7 i.V.m. § 104 Rz. 55).
3. Nach alledem ist, da gegen die Höhe der Privatgutachterkosten ein Angriff nicht geführt wurde, das Rechtsmittel mit der Kostenfolge aus Nr. 1812 GKG-KV und § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
JurBüro 2008, 260 |
MDR 2008, 472 |
VersR 2008, 802 |
VRR 2008, 123 |
OLGR-West 2008, 382 |